Interview Tobias Lindner „Verteidigungsministerin ist ein Vollzeitjob“

Berlin · Der Grünen-Wehrexperte fordert die neue Amtsinhaberin Kramp-Karrenbauer dazu auf, klare Prioritäten auf Wartung und Instandhaltung zu setzen.

 Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner

Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner

Foto: Jörg Carstensen/dpa/Jörg Carstensen

Die Liste der Probleme bei der Bundeswehr ist lang. Was die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) jetzt anpacken muss, erklärte der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner, im Gespräch mit unserer Zeitung:

Herr Lindner, Ursula von der Leyen hatte zuletzt viel Vertrauen in der Truppe verloren. Sind Sie erleichtert, dass sie nicht mehr Verteidigungsministerin ist?

LINDNER Richtig ist sicher, dass Frau von der Leyen in ihrer fast sechsjährigen Amtszeit als Verteidigungsministerin den Beweis schuldig geblieben ist, die Lage der Bundeswehr zum Besseren zu wenden. Es gibt mittlerweile zwar deutlich mehr Geld, und sie hatte auch zahlreiche Trendwenden angekündigt, wie zum Beispiel mehr Transparenz im Beschaffungswesen. Aber wenn ich etwa an die Berateraffäre denke, dann hat sie diese Ansprüche nicht selbst gelebt.

Ist Annegret Kramp-Karrenbauer die richtige Nachfolgerin?

LINDNER Da bin ich sehr gespannt. Denn als Verteidigungspolitikerin ist sie ja ein unbeschriebenes Blatt. Sie hat aber eine faire Chance verdient. Dabei kann sie sich jedoch nicht viel Einarbeitungszeit leisten, denn bereits im Herbst müssen Entscheidungen getroffen werden. Zum Beispiel, was die Beschaffung von Material und die Rekrutierung von Personal angeht.

Lassen sich Ministeramt und CDU-Vorsitz vereinbaren?

LINDNER Das bleibt einstweilen das Geheimnis von Frau Kramp-Karrenbauer. Denn Verteidigungsministerin ist ein Vollzeitjob.

Was sollte AKK zuerst angehen?

LINDNER Sie muss zuallererst das Verhältnis zwischen Ministerium und Truppe verbessern. Das war unter von der Leyen sehr gestört. Hier ist besonders wichtig, dass die Nachfolgerin klar macht, dass sie das Amt ausfüllen will. Sie muss Interesse am Thema zeigen. Mir sagen Soldatinnen und Soldaten, sie wollten keine Ministerin mehr haben, die dieses Amt nur als Karrieresprung betrachtet. Und sie muss Prioritäten setzen.

Soll heißen?

LINDNER Nach meiner Einschätzung hat von der Leyen Planungen bei Personal und Material aufgestellt, die unrealistisch sind. Es ist auch unnötig, die Sollstärke der Truppe von jetzt 185 000 auf mehr als 200 000 Frauen und Männer zu erhöhen. Stattdessen muss die bestehende Struktur gestärkt werden. Und zum anderen muss sich Kramp-Karrenbauer dringend um die Einsatzfähigkeit des Materials kümmern. Wartung und Instandhaltung müssen eine höhere Priorität haben als irgendwelche hochtechnisierten Rüstungsvorhaben.

Hat sie dafür genug finanziellen Spielraum?

LINDNER Noch einmal: Der Verteidigungsetat ist in den letzten Jahren gewachsen wie kaum ein anderer Einzelhaushalt. Mehr Geld wird die Probleme der Truppe nicht lösen. Es geht darum, die Mittel effizient einzusetzen.

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