Straßenverkehrsordnung Tempo 30 in Städten? Bundestag debattiert über Sicherheit für Radler

Berlin · Der Verkehrsminister will Radfahren sicherer machen und die Straßenverkehrsordnung ändern. Den Parlamentariern von CDU/CSU und SPD geht der Vorschlag nicht weit genug.

 Verkehrsminister Scheuer will Radfahren sicherer machen und die Straßenverkehrsordnung ändern. Den Parlamentariern von CDU/CSU und SPD geht der Vorschlag nicht weit genug - sie bringen unter anderem ein Tempo-30-Limit für Städte ins Spiel.

Verkehrsminister Scheuer will Radfahren sicherer machen und die Straßenverkehrsordnung ändern. Den Parlamentariern von CDU/CSU und SPD geht der Vorschlag nicht weit genug - sie bringen unter anderem ein Tempo-30-Limit für Städte ins Spiel.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Am Kottbusser Tor in Berlin stehen immer noch Kerzen. Eine Radfahrerin wollte an einem Nachmittag Anfang Januar die Kreuzung überqueren. Ein rechtsabbiegender Lastwagen erfasst die 68-Jährige, überrollt sie. Die Frau stirbt. Am Freitag diskutierten nur wenige Kilometer von der Unfallstelle entfernt die Abgeordneten des Bundestages über derartige Unfälle. Dabei setzten sich die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD mit einem Antrag durch, der die Regierung zu zusätzlichen Maßnahmen für einen sichereren Radverkehr in Deutschland auffordert.

Und das, obwohl Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bereits die Straßenverkehrsordnung ändern will. Nach seinen Vorstellungen soll zum Beispiel ein ausreichender Sicherheitsabstand beim Überholen von Fahrradfahrern durch Autofahrer festgeschrieben werden. Mindestens 1,5 Meter innerorts und zwei Meter außerorts würden dann im Gesetz stehen. Zudem könnte für Kraftfahrzeuge, die schwerer als 3,5 Tonnen sind, Abbiegen nur noch in Schrittgeschwindigkeit erlaubt sein. Das sei alles schon ganz gut, sagt SPD-Verkehrspolitiker Mathias Stein. Aber: „Das geht noch besser.“

Nach dem Willen der Fraktionen soll unter anderem getestet werden, wie der Verkehr aussehen würde, wenn innerorts generell nur noch Tempo 30 erlaubt wäre und Tempo 50 auf Hauptverkehrsstraßen eigens angeordnet werden müsste. Aus SPD-Sicht ließe sich durch die Absenkung des Tempolimits die Verkehrssicherheit erhöhen. „Bislang finden solche Absenkungen aber immer nur gezielt und in der Regel nicht in größeren Gebieten statt“, sagt die SPD-Verkehrspolitikerin Kirsten Lühmann.

Die FDP will beim Schutz für Radler eher auf eine digitale Verkehrslenkung und Warnsysteme setzen. Den Zwang zum Schritttempo beim Abbiegen und ein generelles Tempo-30-Limit lehnt die Fraktion ab. „Autofahrer sind nicht das Feindbild der deutschen Verkehrspolitik“, sagt der FDP-Verkehrspolitiker Christian Jung. Die AfD fürchtet die „ungehinderte Reise in die ideologische Anti-Auto-Politik“. Tempo 30 in ganzen Städten würde die Verkehrsberuhigung in den Nebenstraßen zunichte machen, sagt der AfD-Verkehrspolitiker Wolfgang Wiehle.

Der Mobilitätsclub ADAC äußert eine ähnliche Befürchtung: Auf vielen etwas kleineren Hauptstraßen dürfte es schwierig sein, Tempo 50 anzuordnen. „Damit hätten diese Straßen eine wichtige Funktion eingebüßt: den Verkehr bündeln und Nebenstrecken und Wohngebiete von unerwünschtem Schleichverkehr zu verschonen.“

Dass Tempo 30 der große Wurf für Fahrradfahrer wäre, bezweifelt der Leiter der Unfallforschung der Versicherer, Siegfried Brockmann. Man könne davon ausgehen, dass Autofahrer dann mit etwa 40 unterwegs wären, aber: Schon heute seien nur bei elf Prozent der Fahrradunfälle mit Personenschaden Auto oder Lastwagen mehr als 40 km/h schnell. Das liege unter anderem daran, dass die meisten Unfälle beim Abbiegen passierten. „Allerdings wäre es mal einen Großversuch wert – zum Beispiel in einer ganzen Kommune“, meint Brockmann.

Den Grünen und den Linken gehen die Pläne der Regierung und der Koalitionsfraktionen nicht weit genug. „Sie machen nur das, was das Auto nicht einschränkt“, sagt der Grünen-Radverkehrspolitiker Stefan Gelbhaar mit Blick auf Verkehrsminister Andreas Scheuer.

Unfallforscher Brockmann sieht vor allem Potenzial in den Kommunen. „Entscheidend wäre eine bessere Infrastruktur.“

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