Studie des RWI Warum Krankheiten Einfluss auf das gesunde Altern haben

Berlin · Von einem Tag auf den anderen ändert sich bei Erkrankungen im Alter oft das ganze spätere Leben. Doch das liegt nicht nur an der körperlichen Blessur. Eine aktuelle Studie belegt einen Zusammenhang.

Unfälle im Alter können Auswirkung auf kognitive Leistungsfähigkeit haben. Foto: picture alliance / dpa

Unfälle im Alter können Auswirkung auf kognitive Leistungsfähigkeit haben. Foto: picture alliance / dpa

Foto: dpa/Uli Deck

Wie wirken sich akute körperliche Erkrankungen langfristig auf die kognitive Leistungsfähigkeit älterer Menschen aus? Immer wieder hört man Erzählungen, wonach bei einer zuvor fitten älteren Person ein Sturz oder eine Erkrankung plötzlich den Beginn einer Pflegebedürftigkeit einläutet.

Bislang gibt es kaum empirische Untersuchungen zu dem Zusammenhang. Eine aktuelle Studie des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung,  die unserer Redaktion exklusiv vorliegt, zeigt, dass ein Herzinfarkt oder eine Hüftfraktur bei Über-50-Jährigen im Durchschnitt zu einer geistigen Alterung von rund vier Jahren führt – und dementsprechend oft Grund für eine frühere Pflegebedürftigkeit ist.

 Die Studie untersucht, wie sich Herzinfarkte, Schlaganfälle, Krebserkrankungen und Hüftfrakturen auf die kognitive Leistungsfähigkeit von Menschen über 50 auswirken. Dafür wurden Befragungen und Kognitionstests von rund 125.000 Personen aus 20 Ländern ausgewertet. Neben den genannten Erkrankungen werden körperliche Verschlechterungen auch anhand der gemessenen Handgreifkraft ermittelt, die in der medizinischen Fachliteratur als valider Indikator für den allgemeinen Gesundheitszustand einer Person gilt.

 Die Ergebnisse: Nach einer plötzlichen körperlichen Verschlechterung ist ein starker unmittelbarer und anhaltender Rückgang der kognitiven Fähigkeiten zu verzeichnen, der sich in deutlichen Einbußen in der Worterinnerung und in der verbalen Ausdrucksfähigkeit der Befragten äußert. Im Durchschnitt bewirkt die schwere Krankheit oder Verletzung einen ähnlichen kognitiven Rückgang wie eine Alterung um vier Jahre. Die kognitiven Einbußen bleiben bestehen, auch wenn sich die meisten Personen nach einigen Jahren von ihrer körperlichen Erkrankung erholt haben.

Herzinfarkte, Schlaganfälle, Krebserkrankungen und Hüftfrakturen können somit dafür sorgen, dass viele Menschen früher pflegebedürftig werden. Die Ergebnisse unterscheiden sich nur unwesentlich zwischen den betrachteten Regionen (Kontinentaleuropa, darunter Deutschland, sowie England und USA) – trotz unterschiedlicher Gesundheits- und Krankenversicherungssysteme.

Hendrik Schmitz, Wissenschaftler am RWI und Professor für Empirische Wirtschaftsforschung an der Universität Paderborn, forderte Konsequenzen: „Unsere Studie zeigt, dass nach einer schweren körperlichen Erkrankung oder Verletzung im Alter die kognitiven Fähigkeiten dauerhaft zurückgehen. Insgesamt brauchen wir ein stärkeres Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen körperlicher und geistiger Gesundheit und mehr Präventionsangebote, um die Lebensqualität im Alter zu fördern.“

(mün)
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