Am Montag wird der Verkehr bundesweit lahmgelegt Deutschland vor dem Mega-Streik — Scharfe Kritik an den Gewerkschaften Verdi und EVG

Berlin · Vor dem umfassenden Verkehrsstreik am Montag in ganz Deutschland haben die Arbeitgeber den Gewerkschaften überzogenes Handeln vorgeworfen. Auch aus den Kommunen kam teils scharfe Kritik, während die Bundesregierung die Tarifpartner zu einer schnellen Verhandlungslösung aufrief.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Eisenbahn-Gewerkschaft EVG legen am Montag fast den kompletten Verkehr lahm.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Eisenbahn-Gewerkschaft EVG legen am Montag fast den kompletten Verkehr lahm.

Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Am Montag findet in Potsdam während des Streiks die dritte Verhandlungsrunde für die 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen statt. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Eisenbahn-Gewerkschaft EVG verteidigten ihren gemeinsam organisierten Ausstand. Ökonomen wie die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, zeigten teils Verständnis für die Gewerkschaften.

Am Montag soll der Verkehr in Deutschland umfassend lahmgelegt werden. Der beispiellose Warnstreik umfasst den Fern-, Regional- und S-Bahnverkehr auf der Schiene, den kommunalen Nahverkehr, viele deutsche Flughäfen, die Wasserstraßen und Häfen sowie Autobahnen. Verdi fordert 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro pro Monat, der Beamtenbund hatte sich dem angeschlossen. Die EVG verlangt zwölf Prozent mehr für die 230.000 Beschäftigten aller Eisenbahn-Unternehmen, mindestens aber 650 Euro pro Monat.

„Wer so handelt, handelt unverhältnismäßig und gefährdet die Akzeptanz für das Streikrecht“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, vor dem Superstreik. EVG-Chef Martin Burkert entgegnete: „Nein, wir übertreiben nicht.“

Regierungssprecher Steffen Hebestreit wies am Freitag darauf hin, dass das Streikrecht ein Grundrecht ist. Grundsätzlich rufe die Regierung aber dazu auf, „dass die Tarifpartner bald zu einer tragfähigen Lösung finden, damit die Auswirkungen eines solchen Streiks nicht zu arg sind für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land“.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die Verhandlungsführerin für den Bund, hofft am Montag auf eine rasche Einigung mit Verdi. „Ich bin sicher, dass wir nächste Woche eine gute Einigung für die wertvolle Arbeit unserer Bediensteten im öffentlichen Dienst finden werden“, sagte Faeser. „Insofern gehe ich mit großer Zuversicht nächste Woche in die Verhandlung.“

Der Städte- und Gemeindebund verurteilte den Streikaufruf. „Der Streik am Montag kommt einem Generalstreik ziemlich nahe und geht weit über einen Warnstreik hinaus“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. „Es ist auch unhöflich von den Gewerkschaften, weil ja genau am Montag die nächste Verhandlungsrunde stattfindet“, kritisierte Landsberg. „Für Eltern mit kleinen Kindern ist dieser Streik besonders bedenklich, denn Verdi nimmt ja auch die Kitas wieder ins Visier. Das ist für Familien nach dem Corona-Horror schon wieder eine Riesen-Belastung und oft gar nicht zu lösen, wenn beide arbeiten“, betonte Landsberg. „Es ist auch nicht so, dass Bund und Kommunen nicht schon ein ordentliches Angebot in der Tarifrunde gemacht hätten, es ist Verdi nur zu wenig“, sagte er. „Ob durch diesen Streik das Verständnis in der Bevölkerung für die Gewerkschaften wächst, ist fraglich“, sagte er.

Dagegen zeigte die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, Verständnis für die Gewerkschaften. „Wir sehen hier einen Tarifkonflikt, der weder ungewöhnlich noch unverständlich ist“, sagte Schnitzer unserer Redaktion. „Die Beschäftigten haben in Deutschland im vergangenen Jahr wegen der hohen Inflation im Durchschnitt einen Reallohnverlust von über drei Prozent hinnehmen müssen“, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. „Auch für dieses Jahr erwarten wir eine Inflation von 6,6 Prozent. Vor diesem Hintergrund sind hohe Lohnforderungen verständlich“, sagte sie.

„Gleichzeitig wollen wir alle vermeiden, dass eine Lohn-Preis-Spirale die Inflation weiter antreibt. Aus diesem Grund hat die Regierung ja steuerfreie Einmalzahlungen der Arbeitgeber ermöglicht, und sie hilft mit direkten Unterstützungsmaßnahmen für die hohen Energiekosten durch die Strom- und Gaspreisbremse“, sagte Schnitzer.

Einzelhandel und Logistikbranche forderten die kurzfristige Aufhebung des Sonntagsfahrverbots für Lkw. Es wäre „sinnvoll, das Sonntagsfahrverbot für das kommende Wochenende aufzuheben und so der Logistik zumindest die Möglichkeit zu geben, einige Transporte vorzuziehen“, sagte Handelsverband-Geschäftsführer Stefan Genth. Ein Sprecher des Bundesverkehrsministers sagte dazu, die Länder müssten Ausnahmen von Lkw-Sonntagsfahrverbot treffen. Der Bund könne hier nur appellieren, Kontrollen für einen bestimmten Zeitraum auszusetzen. „Das befindet sich gerade in Prüfung.“

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