Statistisches Bundesamt Immer mehr Menschen nicht versichert

Berlin · Seit 2015 hat sich die Zahl der der Menschen ohne Krankenversicherung fast verdoppelt. Das Gesundheitsministerium hat dafür keine Erklärung.

 Die meisten Menschen in Deutschland – aber längst nicht alle – verfügen über eine Krankenversicherungs-Karte. Gerade Selbstständige und Arbeitssuchende sind oftmals unversichert.

Die meisten Menschen in Deutschland – aber längst nicht alle – verfügen über eine Krankenversicherungs-Karte. Gerade Selbstständige und Arbeitssuchende sind oftmals unversichert.

Foto: dpa-tmn/Alexander Heinl

Manche Menschen können nicht oft genug zum Arzt gehen. Andere dagegen sind heilfroh, dass ihnen die Praxis oder die Klinik im wahrsten Sinne des Wortes erspart bleibt, denn sie haben keine Krankenversicherung. Nach den aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes, die unserer Redaktion vorliegen, hat sich die Zahl der Betroffenen seit 2015 beinahe verdoppelt. Damals waren noch rund 80 000 Personen ohne Versicherungsschutz gewesen. Jetzt sind es 143 000 – ein Anstieg um fast 79 Prozent. Die Daten basieren auf dem Mikrozensus, der größten regelmäßigen Haushaltsbefragung in Deutschland. Alle vier Jahre werden dabei auch Angaben zum Krankenversicherungsschutz ermittelt.

Lange Zeit mussten nur bestimmte Personengruppen in Deutschland eine Krankenversicherung nachweisen. Bereits seit 2009 gilt offiziell jedoch die Krankenversicherungspflicht für alle, egal, ob gesetzlich oder privat versichert. Dazu wurde zum Beispiel ein sogenannter Basistarif für die Privatkassen vorgeschrieben, der sich im Grundsatz an den Leistungen der gesetzlichen Kassen orientiert. Außerdem kam es per Gesetz zu einer zeitlich befristeten Amnestie für säumige Beitragszahler, um sie zur Rückkehr in eine Krankenversicherung zu animieren. Von der großen Koalition wurden zuletzt auch noch Beitragsentlastungen für Kleinselbstständige beschlossen. Damit halbierte sich deren Mindestbeitrag auf etwa 160 Euro im Monat.

Dass die Zahl der Nicht-Versicherten trotzdem wieder deutlich in die Höhe geschnellt ist, konnte das Bundesgesundheitsministerium am Donnerstag auf Nachfrage nicht schlüssig erklären. Auch beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zeigte man sich ratlos. „Selbst wenn Menschen ihre Kassenbeiträge aus persönlichen Gründen nicht begleichen können, verlieren sie trotzdem nicht ihre Krankenversicherung“, stellte GKV-Sprecher Florian Lanz klar. In solchen Fällen würden dann individuelle Lösungen gefunden. „Das heißt, es werden zum Beispiel Beträge gestundet und Nachzahlungen vereinbart“, erläuterte Lanz.

Für säumige Beitragszahler gilt allerdings nur ein eingeschränkter Leistungsumfang. Der Versicherungsschutz greift dann beispielsweise nur noch bei akuten Krankheiten und Schmerzbehandlungen.

Nach Einschätzung von Experten fallen bei der Krankenversicherungspflicht insbesondere Selbstständige, Arbeitssuchende und Obdachlose durchs Raster. Die Sozialfachfrau der Linken, Sabine Zimmermann, forderte deshalb politische Nachbesserungen. „Die Bundesregierung muss dringend dafür sorgen, dass für jeden Menschen das Recht auf medizinische Versorgung gewährleistet wird“, sagte die Linken-Politikerin. Wie wichtig ein intaktes Gesundheitssystem sei, zeige sich gerade in der Corona-Pandemie. Konkret schlug Zimmermann die sofortige Einrichtung eines Fonds vor, um die Behandlung von Menschen ohne Krankenversicherung zu finanzieren. Außerdem müssten freiwillig Versicherte wie etwa Selbstständige mit geringen Einkünften noch deutlich stärker entlastet werden.

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