Zitteranfälle der Kanzlerin Nicht nur Merkel macht aus Gesundheitszustand ein Geheimnis

Berlin · Die Kanzlerin verrät auch nach drei Zitteranfällen nicht viel. In anderen Ländern wird das bei Staats- und Regierungschefs ebenso gehandhabt.

 Angst vor neuem Zitteranfall: Kanz­lerin Angela Merkel hat die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen gestern protokollwidrig im Sitzen empfangen.

Angst vor neuem Zitteranfall: Kanz­lerin Angela Merkel hat die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen gestern protokollwidrig im Sitzen empfangen.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Eine solche Szene hat es vor dem Kanzleramt in Berlin noch nicht gegeben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sitzen auf zwei weißen Stühlen, die auf einem roten Podium stehen, während das Wachbataillon der Bundeswehr die Nationalhymnen abspielt. Das Protokoll sieht vor, dass die Kanzlerin und ihr Gast die Zeremonie im Stehen absolvieren – das ist bei Empfängen von Staats- und Regierungschefs mit militärischen Ehren weltweit so. Insgesamt drei Mal hat die Kanzlerin in solchen Situationen aber minutenlang gezittert, zuletzt am Mittwoch bei der Begrüßung des finnischen Ministerpräsidenten Antti Rinne.

Jetzt haben ihre Leute im Kanzleramt einen Weg gefunden, eine Wiederholung zu vermeiden. Trotzdem bleiben viele Fragen rund um die Gesundheit der Kanzlerin offen. Eine ganz einfache lautet: War Merkel eigentlich beim Arzt? Selbst das beantwortet sie nur indirekt. Man dürfe davon ausgehen, „dass ich erstens um die Verantwortung meines Amtes weiß und deshalb auch dementsprechend handele – auch was meine Gesundheit anbelangt“, sagt sie am Donnerstag auf der Pressekonferenz mit Frederiksen auf eine entsprechende Frage. „Und zweitens dürfen Sie davon ausgehen, dass ich auch als Mensch ein großes persönliches Interesse daran habe, dass ich gesund bin und auf meine Gesundheit achte.“

Muss man ihre Schweigsamkeit respektieren oder haben rund 80 Millionen Deutsche das Recht, mehr über ihre Kanzlerin zu erfahren? Das wird in Berlin zunehmend kontrovers diskutiert.

In anderen Ländern wird die Privatsphäre von Spitzenpolitikern jedenfalls weitaus weniger geachtet als hierzulande. In den USA ist es beispielsweise Konsens, dass Präsidenten und Präsidentschaftsbewerber Einblick in medizinische Details geben.

Ganz anders läuft es in Russland. Der Kreml hütet den Gesundheitszustand des russischen Präsidenten wie zu Sowjetzeiten wie ein Staatsgeheimnis. Dass Kremlchef Wladimir Putin auch mit 66 topfit ist, sollen regelmäßig Bilder beim Judo und beim Eishockeyspielen zeigen.

In der arabischen Welt ist die Gesundheit der Staats- und Regierungschefs ebenfalls ein großes Tabu – und doch ein großes Thema, weil viele Politiker in hohem Alter sind. Algeriens Alt-Präsident Abdelaziz Bouteflika (82) saß seit einem Schlaganfall 2003 im Rollstuhl und trat kaum noch öffentlich auf. Immer wieder flog er zu Behandlungen in die Schweiz. Offizielle Informationen gab es dazu fast nie.

Im Vatikan gilt eine ganz radikale Devise: „Päpste sind nicht krank, Päpste sterben.“ Im Klartext: Über die Gesundheit des Kirchenführers wird zu Lebzeiten nicht gesprochen, bekannt gegeben wird erst der Tod.

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