SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach kritisiert Reform-Modell der Mediziner

Berlin · Die Bundesärztekammer schlägt einen radikalen Umbau des gesetzlichen Krankenkassensystems vor. So sollen die Kassen die Höhe des Versichertenbeitrages wieder selbst bestimmen können, allerdings nicht prozentual vom Einkommen, sondern in Form einer Pauschale. Außerdem soll der Staat für jedes Kind Kapital ansparen, um die steigenden Gesundheitskosten im Alter abzufedern. Nach Einschätzung des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach wird damit aber kein Problem gelöst. Unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter fragte nach:

Herr Lauterbach, auch die SPD sieht einen großen Reformbedarf im Kassensystem. Was halten Sie von den Plänen der Ärzte?
Karl Lauterbach: Die dringendsten Probleme werden damit nicht gelöst. Für die gesetzlich Versicherten bliebe es bei der Zwei-Klassen-Medizin, also zum Beispiel bei den zunehmenden Wartezeiten für bestimmte Fachärzte. Und in der Privatversicherung bliebe es dabei, dass vor allem Ältere die akut steigenden Prämien nicht mehr bezahlen können.

Fest steht, dass jeder gesetzlich Krankenversicherte die gleiche Leistung erhält. Warum dann nicht auch den gleichen Beitrag zahlen, der im Bedarfsfall über Steuern sozial abgefedert werden soll?
Karl Lauterbach: Was die Ärzteschaft hier im Kern vorschlägt, ist das alte Kopfpauschalen-Modell der CDU. Aber nicht einmal die Union will dieses Modell noch haben. Und eine große Mehrheit der Bevölkerung hält es für ungerecht. Aus einem einfachen Grund: Auch bei Kopfpauschalen mit Sozialausgleich würden höhere Einkommensschichten stärker entlastet und Geringverdiener eher belastet werden. Da kämpft die Ärzteschaft auf verlorenem Posten.

In der gesetzlichen Krankenversicherung sind keine Rückstellungen für das Alter vorgesehen, bei den Privatkassen schon. Lässt sich daraus nicht lernen?
Karl Lauterbach: Was die Ärzte verschweigen, ist die Tatsache, dass die meisten Rückstellungen ein Verlustgeschäft sind. Denn die Rücklagen bringen wegen der niedrigen Zinsen weniger, als die Inflation weg frisst. Deshalb steigen ja auch die Prämien für die Privatversicherten stark an. Es ist einfach so, dass mit Kapitalerträgen auf weitgehend sichere Anlagen heute kein Staat mehr zu machen ist.

Aber die Gesundheitskosten werden schon wegen der demographischen Entwicklung spürbar steigen. Wie soll das bezahlt werden?
Karl Lauterbach: Jedenfalls nicht über Rücklagen, die schleichend an Wert verlieren. Das ist unsinnig, zumal wir eine Alternative haben, nämlich das geltende Umlagesystem. Die SPD will dieses System zur Bürgerversicherung weiter entwickeln. Mit den Beiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie steigenden Steuermitteln ist das System sauber finanziert.

Ärztechef Montgomery sieht in der Bürgerversicherung einen "Turbo-Lader für die Zwei-Klassen-Medizin", weil dann kein Wettbewerb mehr existiere. Was entgegnen Sie ihm?
Karl Lauterbach: Das ist Quatsch. Die Bürgerversicherung würde von gesetzlichen und privaten Kassen angeboten werden, die miteinander im Wettbewerb um gute Leistung und Qualität stehen. Auch gäbe es keine Rosinenpickerei mehr, denn die Privaten müssten jeden versichern, der das möchte. Nur so haben die Privaten auch eine Überlebenschance.

Wie meinen Sie das?
Karl Lauterbach: In ihrer jetzigen Form ist die Privatversicherung existenziell bedroht. Denn die Zahl der kompletten Neuversicherungen von Nicht-Beamten geht stetig zurück. Viele fürchten einfach, dass sie die Beiträge im Alter nicht mehr zahlen können. Damit stirbt das Geschäftsmodell der Privaten langsam aus. Um so mehr wundert mich, dass die Ärzte stur am getrennten System von gesetzlich und privat festhalten wollen.

Herr Lauterbach, Sie sind für das Kompetenzteam von Peer Steinbrück im Gespräch. Haben Sie schon eine Zusage?
Karl Lauterbach: Das sind Spekulationen. Dazu sage ich nichts.

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