Interview mit SPD-Genaeralsekretär Lars Klingbeil „Alle drei Aspiranten der Union sind schlagbar“

Berlin · Der SPD-Generalsekretär blickt gelassen auf die Kür des Unions-Kanzlerkandidaten. Den eigenen Spitzenmann Olaf Scholz hält er für die richtige Wahl.

 Lars Klingbeil ist seit 2017 SPD-Generalsekretär. Für die Bundestagswahl im kommenden Jahr ist er zuversichtlich, mit dem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz verlorene Wähler für die Sozialdemokraten zurückgewinnen zu können.

Lars Klingbeil ist seit 2017 SPD-Generalsekretär. Für die Bundestagswahl im kommenden Jahr ist er zuversichtlich, mit dem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz verlorene Wähler für die Sozialdemokraten zurückgewinnen zu können.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Die Sozialdemokraten schöpfen Hoffnung, mit Olaf Scholz den nächsten Kanzler stellen zu können. Wie die Partei Wähler zurückgewinnen will, was er von der Linken hält und wann der Wahlkampf starten soll, darüber sprach SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil mit unserer Zeitung.

Herr Klingbeil, als Parteichef ist Olaf Scholz der SPD nicht gut genug, als Kanzler aber schon. Was soll der Wähler davon halten?

KLINGBEIL Eine Partei zu führen, ist etwas anderes, als ein Land zu regieren. Olaf Scholz kann regieren. Das beweist er gerade jetzt als Vizekanzler in Zeiten der Corona-Krise. Im Übrigen: Gerhard Schröder war einst auch nicht zum Parteivorsitzenden gewählt worden. Und danach war er ein erfolgreicher Bundeskanzler.

Seit 1998 hat die SPD bei Bundestagswahlen in absoluten Zahlen über zehn Millionen Wähler verloren. Was ist da schiefgelaufen?

KLINGBEIL Die Ursachen sind sicher vielschichtig. Mein Anspruch als Generalsekretär, der die Partei zum ersten Mal in einen Bundestagswahlkampf führt, ist, möglichst viele Wähler zurückzugewinnen. Da haben wir mit Olaf Scholz den richtigen Kandidaten. Und wir werden beweisen, dass wir gute Ideen für die Zukunft des Landes haben.

Geht es nach Ihren beiden Vorsitzenden, dann soll die SPD deutlich nach links rücken. Gewinnt man so die Wähler zurück?

KLINGBEIL Wenn es links ist, dass wir aus der Corona-Krise die Konsequenz ziehen, dass der Staat handlungsfähig sein muss, dass er nicht kaputt gespart werden darf, dass wir in die Zukunft investieren, dann bin ich mir sicher, dass wir mit genau diesen Themen viele Wählerinnen und Wähler überzeugen können.

Unmittelbar nach der Kandidatenkür hat Parteichef Norbert Walter-Borjans gesagt, Scholz könne nicht einfach seine Agenda durchdrücken. Wie viel Beinfreiheit billigt die SPD Scholz zu?

KLINGBEIL In diesen Kategorien denken wir überhaupt nicht. Die Kandidatur von Olaf Scholz wurde im Team entschieden. Die Partei ist geschlossen. Darin unterscheiden wir uns auch deutlich von der Union, die sich gerade in Machtkämpfen um den CDU-Vorsitz und die Kanzlerkandidatur befindet. In dieser Geschlossenheit werden wir auch das Programm gemeinsam entwickeln.

Ist die Linkspartei eigentlich regierungsfähig? Die würde die SPD doch brauchen, um die Union nach der nächsten Bundestagswahl in die Opposition zu schicken.

KLINGBEIL Es ist jetzt überhaupt noch nicht die Zeit für Koalitionsspekulationen. Wir entscheiden nach der Wahl, mit wem es die meisten inhaltlichen Gemeinsamkeiten für eine fortschrittliche Politik gibt. Bei der Union wird das sehr schwer, das haben die letzten großen Koalitionen gezeigt. Und bei den Linken wird der nächste Parteitag mit ausschlaggebend sein, in welche Richtung die Partei geht, vor allem bei Außen- und Sicherheitspolitik.

Diese Debatte hat Ihre Co-Vorsitzende Saskia Esken ausgelöst…

KLINGBEIL Wir kämpfen jetzt jeden Tag für eine starke SPD. Da bleibt noch genug zu tun. Bis dahin werden wir genau beobachten, wie sich die Linkspartei entwickelt, wie sich auch die FDP entwickelt, und wie sich die Grünen entwickeln.

Wer sagt Ihnen, dass die Grünen bei einem Linksbündnis mitmachen?

KLINGBEIL Die Grünen müssen für sich beantworten, mit wem sie gern in eine Regierung gehen wollen. Natürlich ist mir auch nicht entgangen, dass es Parteichef Habeck eher zur Union zieht. Ich glaube aber nicht, dass Herr Habeck allein darüber entscheidet, welchen Kurs die Grünen hier fahren.

Welches Thema will die SPD beim Wahlkampf in den Mittelpunkt rücken? Bei sozialen Forderungen etwa ist die Linkspartei ja unschlagbar.

KLINGBEIL Die Arbeit an unserem Regierungsprogramm hat erst begonnen. Noch sind wir auch nicht im Wahlkampfmodus. Die große Herausforderung ist weiter die Corona-Pandemie. Ein Schwerpunkt wird sicher sein, wie man mit den Folgen dieser Krise umgeht. Welche Konsequenzen ziehen wir beispielsweise aus dem Umstand, dass unser Bildungssystem auf die Krise überhaupt nicht vorbereitet war? Wie kann wieder Wachstum entstehen? Um solche Fragen geht es.

Wann soll der SPD-Wahlkampf genau starten?

KLINGBEIL Der Wahlkampf geht dann los, wenn auch die anderen Parteien auf dem Platz sind. Und ich hoffe, dass die Union bis dahin mit ihren personellen Querelen nicht die Regierungsarbeit in den kommenden Monaten beeinträchtigt.

Wer von den Unions-Aspiranten für die Kanzlerkandidatur wäre Ihnen wahlstrategisch am liebsten?

KLINGBEIL Das ist mir ziemlich egal. Alle, die dafür im Gespräch sind, haben ihre Schwächen offenbart. Herr Söder hat in den letzten Tagen gezeigt, dass er nicht über Wasser laufen kann. Armin Laschet hat sich ebenfalls viele Fehler im Corona-Krisenmanagement geleistet. Und Friedrich Merz steht für einen radikal anderen Kurs als Angela Merkel. Alle drei Aspiranten sind schlagbar.

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