Carsten Schneider „Der Bund muss das tun, was er allein regeln kann“

Interview | Berlin · Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer sieht den CDU-Vorstoß für eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes zum jetzigen Zeitpunkt mit Skepsis.

Der Parlamentsgeschäftsführer der SPD, Carsten Schneider.

Der Parlamentsgeschäftsführer der SPD, Carsten Schneider.

Foto: imago images/Christian Spicker/imago stock

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mehr Kompetenzen für den Bund. Dazu soll das Infektionsschutzgesetz geändert werden. Eine entsprechende Initiative gibt es auch in der Unionsfraktion. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, hält den Vorstoß für unausgegoren.

Herr Schneider, macht Merkels Vorhaben Sinn?

SCHNEIDER Bislang ist völlig unklar, was Merkel und die Union eigentlich konkret wollen. In der jetzigen Infektionslage ein langwieriges Gesetzgebungsverfahren zur Entmachtung der Länder anzuzetteln, ist jedenfalls alles andere als sinnvoll. Zumal neben dem Bundestag auch die Länder im Bundesrat zustimmen müssten.

Das heißt, die SPD im Bundestag ist gegen Änderungen beim Infektionsschutzgesetz?

SCHNEIDER Wir sind grundsätzlich bereit, das Infektionsschutzgesetz zu novellieren. Aber das muss mit Substanz und geordnet geschehen. Die aktuelle Ausbreitung der Infektionen lässt sich nicht dadurch stoppen, dass man jetzt einen Institutionenkonflikt zwischen Bund und Ländern heraufbeschwört.

Was sollte der Bund dann tun?

SCHNEIDER Er muss das tun, was er in kurzer Zeit allein regeln kann. Es gibt offenbar zwei große Treiber der Pandemie. Das ist das private Umfeld. Und das ist der Arbeitsplatz. Alles, was einen stärkeren Beitrag der Arbeitgeber mit sich bringen würde, hat die Union aber bisher abgelehnt. Wir brauchen erstens eine Testpflicht in den Betrieben. Die Arbeitgeber müssen die Tests ohne Wenn und Aber anbieten. Freiwilligkeit funktioniert da erkennbar bei zu vielen Arbeitgebern nicht. Wir brauchen zweitens eine Pflicht zum Homeoffice, wo es möglich ist. De facto haben Arbeitgeber hier noch zu viel Spielraum. Und drittens brauchen wir, wenn Homeoffice tatsächlich unmöglich ist, eine Maskenpflicht in Großraumbüros. Das ist noch unzureichend geregelt.

Und dafür bräuchte es keine Änderung des Infektionsschutzgesetzes?

SCHNEIDER Nein, diese drei Punkte könnte die Bundesregierung im Handumdrehen per Verordnung bundeseinheitlich umsetzen. Das brächte zügig Erfolge. Stattdessen nur über Kompetenzverteilungen zu streiten, ist nicht zielführend.

Das Vorgehen gegen Corona in den Ländern wird aber immer uneinheitlicher. Bayern und das SPD-regierte Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel haben sich einen eigenen Zugang zum russischen Impfstoff Sputnik gesichert. Was halten Sie davon?

SCHNEIDER Die Beschaffung von Impfstoff ist eindeutig Angelegenheit des Bundes. Dass das beim zuständigen Minister Spahn nur unzureichend funktioniert, kann nicht bedeuten, in Länder-Egoismen und Kleinstaaterei zu verfallen. Das ist auch das Gegenteil dessen, was Bayerns Ministerpräsident Söder immer wieder gefordert hat.

Und wie ist es mit einem bundesweiten Lockdown, der auch von SPD-Ministerpräsidenten abgelehnt wird?

SCHNEIDER Das Hauptproblem ist hier die dünne Datenlage durch die Osterfeiertage. Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass die Gesundheitsämter in den Ländern immer noch nicht in der Lage sind, auch an Feiertagen ein verlässliches Bild zum Infektionsgeschehen zu liefern. Wenn wir tatsächlich wieder bundesweit zu einem exponentiellen Wachstum bei den Ansteckungen kommen, was die Daten derzeit nicht hergeben, dann halte ich einen harten bundesweiten Lockdown für zwei bis drei Wochen für notwendig. Aber auch der müsste natürlich vorbereitet werden.

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