Karl Lauterbach zu Lieferengpässen bei Medikamenten „Den Arzneimittel-Firmen ist das ein Stück weit egal“

Berlin · Schon seit geraumer Zeit sind in den Apotheken wichtige Medikamente nur noch schwer verfügbar. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat die zunehmenden Lieferengpässe jetzt als „völlig inakzeptabel“ kritisiert.

 Der Gesundheitsexperte und verbraucherpolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach

Der Gesundheitsexperte und verbraucherpolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Der Gesundheitsexperte und verbraucherpolitische Sprecher der SPD, Karl Lauterbach, sieht gesetzlichen Handlungsbedarf.

Herr Lauterbach, woher rührt das Lieferproblem?

LAUTERBACH Die Hersteller produzieren mittlerweile sehr stark in Asien. Dort sind die Qualitäts- und Sicherheitskontrollen sehr lückenhaft. Inzwischen gibt es nur noch wenige Hersteller für viele Wirkstoffe auf der Welt. Fällt einer aus, werden ganze Lieferketten unterbrochen. Den betroffenen Arzneimittel-Firmen ist das sogar ein Stück weit egal. Man kann dann zwar selbst nicht liefern, wenn schon das Vorprodukt ausfällt, aber Konkurrenzunternehmen können es auch nicht. Das ist eine unheilvolle Entwicklung.

Laut Arzneimittel-Institut gibt es aktuell 290 Meldungen über Lieferengpässe. Bei über 100 000 zugelassenen Arzneien in Deutschland klingt das wenig dramatisch…

LAUTERBACH Das Problem ist trotzdem groß, weil immer wieder sehr wichtige und viel verwendete Wirkstoffe ausfallen. Zum Beispiel zur Behandlung von Krebs vor allem bei Kindern. Betroffen sind auch Antibiotika und Antiepileptika. Jeder Arzt kennt mittlerweile solche Fälle. Sehr oft gibt es auch keine Alternativ-Medikamente. Und wenn doch, dann haben sie eine schwächere Wirkung.

Nach einem kürzlich in Kraft getretenen Gesetz sind Hersteller verpflichtet, Engpässe zu melden. Wirklich gelöst wird damit aber nichts.

LAUTERBACH Tatsächlich werden die Lieferengpässe damit in keiner Weise behoben. Aus meiner Sicht sind drei weitere Maßnahmen notwendig. Erstens: Im Rahmen der Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Herstellern müssen auch zwingend Sanktionen vereinbart werden für den Fall, dass Anbieter ihren Lieferverpflichtungen nicht nachkommen. Zweitens: Kommt es bei einem alternativen Medikament zu Zuzahlungen für den Patienten und zu Mehrzahlungen für seine Kasse, dann muss der Hersteller für diese Extrakosten einspringen, der nicht liefern konnte.

Und der dritte Punkt?

LAUTERBACH Für Wirkstoffe, die für die Versorgung unabdingbar sind und bei denen es immer wieder zu Engpässen kommt, müssen zum Dritten die Verträge so gestaltet werden, dass sie die Rückverlagerung der Produktion nach Europa, auch nach Deutschland begünstigen. Dadurch, dass Hersteller, die in Europa aktiv sind, bei der Vergabe der Rabattverträge bevorzugt werden. Die Hersteller müssten dann die Lieferbarkeit garantieren und sich strengen Qualitätskontrollen unterziehen. Im Gegenzug bekämen sie aber auch eine Abnahme-Garantie für ihre Produkte.

Und wie wollen Sie das umsetzen?

LAUTERBACH Dazu brauchen wir ein neues Gesetz, das über die bisherigen Beschlüsse der großen Koalition hinausgeht. Anders sind die drei genannten Maßnahmen nicht durchsetzbar. Und wir sollten dafür keine Zeit mehr verlieren.

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