Pandemie Spahn: Deutschland hat das Virus im Griff

Berlin · Der Gesundheitsminister sieht in der Corona-Krise eine ermutigende Entwicklung, aber keinen Grund zur Entwarnung.

 Eine Illustration des Coronavirus, das die Lungenkrankheit Covid-19 verursacht. Im Kampf gegen den Erreger ist Deutschland laut Gesundheitsminister Jens Spahn gut gerüstet.

Eine Illustration des Coronavirus, das die Lungenkrankheit Covid-19 verursacht. Im Kampf gegen den Erreger ist Deutschland laut Gesundheitsminister Jens Spahn gut gerüstet.

Foto: Getty Images/iStockphoto/fotomay

Endlich mal gute Nachrichten: Deutschland ist mit seinen gesundheitlichen Kapazitäten bislang gut durch die Corona-Krise gekommen. Das haben der zuständige Minister Jens Spahn (CDU) und der Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, am Freitag vor Journalisten deutlich gemacht. Ein Grund zur Entwarnung sei das aber noch nicht.

Gleich mehrere Erfolge konnte das RKI jetzt vermelden: Zum einen hat sich die sogenannte Reproduktionsrate in letzter Zeit deutlich verringert. Sie liegt aktuell bei 0,7. Demnach steckt ein Infizierter inzwischen weniger als einen weiteren Menschen an, was für ein schrittweises Abflauen der Epidemie spricht. Anfang März lag dieser Wert noch bei 3,0. Das hatte eine rasante Ausbreitung des Virus bedeutet. Ein weiterer Lichtblick: Rund 82 000 Menschen sind wieder genesen. Das sind deutlich mehr als die Hälfte der bislang registrierten Infizierten. Ihre Zahl wurde mit rund 135 000 Personen angegeben. Demnach gesunden also mehr Menschen, als sich infizieren. In den einzelnen Bundesländern ist die Lage allerdings sehr unterschiedlich. Bayern weist aktuell mit mehr als 36 000 Infizierten den höchsten Anteil aus. In Mecklenburg-Vorpommern dagegen sind es weniger als 700. „Der Ausbruch ist – Stand heute – wieder beherrschbar und beherrschbarer geworden“, kommentierte Spahn die Entwicklung. Das Gesundheitssystem sei bislang zu keiner Zeit überfordert gewesen, sagte der CDU-Politiker.

Nach seiner Einschätzung liegt das auch an der im internationalen Vergleich großen Zahl der Haus- und Fachärzte. Sechs von sieben Corona-Patienten werden derzeit ambulant behandelt, die übrigen in den Krankenhäusern. Derweil konzentrieren sich die Kliniken auf die schweren Fälle. Von den Erkrankten auf Intensivstationen stirbt am Ende fasst jeder dritte (30 Prozent). Der Anteil der Todesfälle gemessen an allen offiziell Infizierten liegt dagegen bei 2,9 Prozent. Nach den Worten von RKI-Chef Wieler habe man damit „die erste Welle ganz gut überstanden“. Allerdings könne sich das jederzeit ändern.

Gleichwohl kündigte der Gesundheitsminister an, die Intensivstationen auch wieder stärker für andere Patienten zu öffnen. Hintergrund ist, dass die registrierten Zahlen etwa von Schlaganfällen und Herzinfarkten deutlich gesunken sind, weil Betroffene wegen Corona offenbar den Kliniken fern bleiben. Laut Spahn gibt es derzeit 10 000 freie Intensivbetten in Deutschland, die nicht auf Dauer für Covid-19-Fälle vorgehalten werden müssten. Per Verordnung hatte der Minister alle Kliniken mit Intensivbetten seit Donnerstag verpflichtet, ihre Kapazitäten zu melden. Von den rund 15 000 belegten Plätzen entfallen demnach etwa 2800 auf Corona-Patienten.

Mittlerweile wurden in Deutschland bereits 1,7 Millionen Tests durchgeführt. Rund neun Prozent erwiesen sich als positiv. Die Kapazitäten der Labore reichen inzwischen für 730 000 Tests pro Woche. Noch immer werden allerdings im Schnitt etwa 3000 neue Fälle pro Tag gemeldet, wobei die Dunkelziffer deutlich höher sein dürfte. Die heimische Produktion von Schutzmasken wird laut Spahn erst im Sommer richtig Fahrt aufnehmen. Mit rund 50 Unternehmen seien bislang Produktionsvereinbarungen abgeschlossen worden. Demnach könnten ab Mitte August pro Woche zehn Millionen FFP2-Spezialmasken und 40 Millionen OP-Masken hergestellt werden. Dies decke den Grundbedarf in Deutschland weitgehend ab, sagte Spahn.

Nach dessen positiver Einschätzung der Lage forderte FDP-Chef Christian Lindner eine schnellere Rückkehr zur Normalität. „Wenn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagt, dass die Pandemie beherrschbar geworden sei, sollte das Konsequenzen haben“, sagte Lindner. Bundes- und Landesregierungen müssten die Lage ab jetzt jede Woche neu prüfen, „damit nicht länger als nötig in Bürgerrechte eingegriffen wird“. Unter Auflagen für Hygiene und Kontaktbegrenzung könnten beispielsweise Lokale und Hotels vorsichtig den Betrieb wieder aufnehmen.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt dagegen bezeichnete Spahns Äußerungen als unverantwortlich. „Die Bundeskanzlerin selbst hat erst kürzlich die Fragilität der Situation betont“, erklärte sie und warnte vor Verharmlosung. Die Bundesregierung müsse beispielsweise die geplante App zur Nachverfolgung von Infektionsketten schneller vorantreiben. Der Gesundheitspolitiker der Linken, Achim Kessler, warf Spahn Schönfärberei vor.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort