Kevin Kühnert Sozialistische Visionen im Kreuzfeuer der Kritik

Berlin · Juso-Chef Kevin Kühnert hat mit seinem Vorstoß für eine Kollektivierung von Betrieben und Einschränkungen beim Immobilienbesitz für Entrüstung gesorgt.

 Kevin Kühnert ist Bundesvorsitzender der SPD-Jugendorganisation.

Kevin Kühnert ist Bundesvorsitzender der SPD-Jugendorganisation.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Kevin Kühnert schwimmt gern gegen den Strom. Einem breiten Publikum wurde der Juso-Chef bekannt, als er nach der letzten Bundestagswahl im Herbst 2017 vehement gegen eine Neuauflage der großen Koalition Front machte und damit auch die SPD-Spitze direkt angriff. Nun macht der 29-Jährige erneut von sich reden. In einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ über seine Vorstellungen vom Sozialismus plädiert Kühnert für eine „Kollektivierung“ großer Firmen wie etwa BMW. Ohne Kollektivierung sei „eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar“, erklärt Kühnert. Ihm sei „weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW ‚staatlicher Automobilbetrieb’ steht oder ‚genossenschaftlicher Automobilbetrieb’, oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht“. In jedem Falle müsse die Verteilung der Profite demokratisch kontrolliert werden, erläuterte Kühnert.

Der Autobauer BMW ist eine Aktiengesellschaft. Im Prinzip kann also jeder Bürger BMW-Anteile kaufen. Größter Anteilseigener mit knapp 47 Prozent ist allerdings die Industriefamilie Quandt.

Zugleich will Kühnert den Besitz von Immobilien beschränken. Jeder solle „maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt“. Noch besser seien genossenschaftliche Lösungen, so Kühnert. Auf die Frage, ob es Ziel sei, dass es gar keine privaten Vermietungen mehr gäbe, meinte Kühnert: „Das wäre der Optimalfall, natürlich“.

In den deutschen Großstädten wird gegenwärtig fast die Hälfte aller Mietwohnungen durch kleine Privateigentümer vermietet. Wohl auch deshalb gingen zahlreiche SPD-Politiker auf Distanz zu Kühnert. „Was für eine grober Unfug. Was hat der geraucht?“, wurde der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, dabei besonders drastisch. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil suchte die Debatte indes tiefer zu hängen: Kühnert spreche über eine „gesellschaftliche Utopie“. Er rate daher „zu mehr Gelassenheit in der Diskussion“, sagte Klingbeil.

Parteivize Ralf Stegner dagegen zeigte zum Teil Verständnis für Kühnert. „Er kritisiert Missstände in der Gesellschaft, die zutreffend beschrieben sind. Wir haben doch Menschen, die mit Wohneigentum spekulieren, wir haben skandalöse Miethöhen“, sagte Stegner unserer Redaktion. Einschränkend fügte er aber hinzu, dass Kühnerts Vorschläge „deutlich“ über die Beschlusslage seiner Partei hinausgingen. So wolle die SPD „weder eine Vergesellschaftung von Betrieben, noch will sie die Vermietung von Wohnungen untersagen“, stellte Stegner klar.

Für Union und FDP waren Kühnerts Thesen gestern eine Steilvorlage. Mit solchen Vorstößen mache sich die SPD lächerlich und verunsichere gleichzeitig diejenigen, die Wohnraum schaffen wollten, kritisierte CSU-Generalsekretär Markus Blume. Seine Amtskollegin von den Liberalen, Linda Teuteberg, forderte die SPD auf, „dringend ihr Verhältnis zum Eigentum zu klären“. Aus der AfD hieß es, Kühnert und die Jusos würden langsam, aber sicher zum „Fall für den Verfassungsschutz“ werden. Unterstützung bekam der Gescholtene von der Linkspartei. Die Versorgung der Menschen mit Wohnraum dürfe „nicht von Profitinteressen abhängen“, erklärte ihr Vorsitzender, Bernd Riexinger.

Kühnert selbst verteidigte sich gestern mit einem Verweis auf das aktuelle Grundsatzprogramm der SPD. Dort heißt es: „Der demokratische Sozialismus bleibt für uns die Vision einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft, deren Verwirklichung für uns einen dauernde Aufgabe ist“.

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