Interview Tobias Hans „Deutschland darf kein Land der Verbotspolitik werden“

Berlin · Der saarländische Regierungschef nennt das CDU-Klimakonzept einen „großen Wurf“ – und rechnet mit einer Einigung in der großen Koalition.

 „Auch den ländlichen Raum sehen“: Tobias Hans (CDU), Regierungschef im Saarland.

„Auch den ländlichen Raum sehen“: Tobias Hans (CDU), Regierungschef im Saarland.

Foto: dpa/Soeren Stache

Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlandes, glaubt, dass es am Freitag in der Groko einen Klimakompromiss gibt. Und auch, dass Klimaschutz und Wachstum kein Widerspruch sind.

Was ist in der Union stärker: Der Druck, im Klimaschutz voranzukommen, oder die Erwartung, Bürger und Wirtschaft nicht zu belasten?

HANS Die Union hat wie keine andere Partei eine gesellschaftliche Scharnierfunktion. Deshalb ist es unsere Aufgabe, die Klimaschutzziele zu erreichen, aber auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erhalten. Unser Ziel kann es ja nicht sein, Deutschland zu deindustrialisieren. Sondern unser Ziel muss sein, die deutsche Industrie fit für eine klimaneutrale Produktion zu machen.

Geht beides ohne Mogelpackung?

HANS Ja. Durch den Zertifikatehandel haben wir in großen Bereichen der Industrie und der Energieerzeugung schon eine Entkoppelung von Wachstum und CO2-Ausstoß erreicht. Im Verkehr ist das bisher anders, da gab es sogar Rückschritte. Da sind andere Länder weiter. Wenn wir hier nichts tun, werden wir Strafzahlungen an die EU zahlen müssen. Das wäre die schlechteste Variante.

Und wie wollen Sie eine Veränderung im Verkehrssektor erreichen?

HANS Wir wollen die Einnahmen, die wir künftig durch den Zertifkatehandel in diesem Sektor haben werden, gezielt einsetzen, um die Schiene und den ÖPNV generell zu stärken. Wer dieses Verkehrsmittel oder umweltfreundlichere Autos nutzt, soll von einer erhöhten Pendlerpauschale profitieren. Wir dürfen das ganze Thema nicht nur aus der Perspektive der Städte betrachten, sondern müssen auch den ländlichen Raum sehen, wo immer noch die Mehrheit der Menschen lebt.

Ist ein Kompromiss aus CO2-Steuer und Zertifikatehandel denkbar?

HANS Das Zertifikate-System ist der Steuer überlegen, weil es sicher dafür sorgt, dass CO2 verringert wird. Das kann das Steuersystem nicht garantieren, es führt erst einmal nur zu einer Belastung der Bürger.

Sie wollen jetzt nicht sagen, dass es bei Ihrem Modell nicht auch teurer wird für die Bürger.

HANS Das Zertifikate-System wird zwar ebenfalls zu einer Belastung führen, aber wir wollen die Bürger durch eine Reform des gesamten Steuer- und Abgabensystems im Energiesektor auch gezielt entlasten. Deutschland darf kein Land der Verbotspolitik werden. Die Menschen wollen sich durchaus moderne Heizungen anschaffen oder Autos, die wenig CO2 ausstoßen. Das erreicht man, indem man Anreize schafft, nicht indem man bestraft. Wir schaffen damit gezielte Lenkungswirkungen einerseits und soziale Haltelinien anderseits.

Gelingt am Freitag ein großer Wurf?

HANS Die CDU hat am Montag im Bundesvorstand schon mal einen großen Wurf vorgelegt, indem sie ihr Klima-Papier einstimmig verabschiedet hat. Vieles davon war vor nicht allzu langer Zeit noch sehr umstritten bei uns. Ja, ich bin zuversichtlich, dass die Koalition sich auf ein gutes Konzept einigen wird.

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