„Alle arbeiten am Limit“ Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes fordert besser ausgestattetes Gesundheitswesen

Berlin · Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt, hält als Konsequenz aus der Pandemie eine bessere Ausstattung des Gesundheitswesens für unabdingbar. Im Exklusiv-Interview fordert sie außerdem eine rasche Impfung von Rettungssanitätern.

Rotes-Kreuz Chefin Hasselfeldt fordert mehr Geld für Gesundheitswesen
Foto: dpa/Sebastian Willnow

In der Corona-Krise geben die Deutschen offenbar gerne. Die Spendenbereitschaft sei noch größer geworden, so die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Gerda Hasselfeldt, im Gespräch mit unserer Redaktion. Die frühere CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag fordert eine bessere Krisenvorsorge und eine rasche Impfung von Rettungssanitätern.

Frau Hasselfeldt, Deutschland ist die Pandemie entglitten. Hat die Politik die richtigen Gegenmaßnahmen ergriffen?

HASSELFELDT Es ist sehr ernst. Deswegen sind die Lockdown-Entscheidungen der Politik richtig gewesen, auch wenn sie vielen Menschen wehtun. Ich sehe die Folgen der hohen Infektionszahlen ja in unseren Einrichtungen, in Krankenhäusern und Pflegeheimen.

Wie stellt sich die Lage dort konkret dar?

HASSELFELDT Die Intensiv- und Covid-Stationen sind belegt. Ärzte, Pflegekräfte und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Pflegeheimen sind hohen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Sie alle arbeiten am Limit. Ich will auch die vielen Ehrenamtlichen nicht vergessen, die zum Beispiel außerhalb von Einrichtungen mit Hilfsbedürftigen arbeiten.

 Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt, hofft auf eine hohe Impfbereitschaft.

Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt, hofft auf eine hohe Impfbereitschaft.

Foto: Paul Zinken/dpa/Paul Zinken

Welche Lehren ziehen Sie aus der Situation?

HASSELFELDT Wir brauchen eine bessere Krisenvorsorge. Denn die nächste Herausforderung kommt bestimmt. Es muss zu jeder Zeit Schutzausrüstung in den Einrichtungen vorhanden sein. Das war am Anfang der Pandemie ein großer Engpass. Auch müssen wir das öffentliche Gesundheitswesen besser ausstatten. Da kann es bei Ankündigungen nicht bleiben. Und ich plädiere sehr für eine dauerhaft hohe Anerkennung der Medizin- und Pflegeberufe. Das Klatschen der Bürger darf keine Eintagsfliege sein.

Geht das Rote Kreuz denn mit gutem Beispiel voran – gibt es Boni für ihre Mitarbeiter?

HASSELFELDT Derzeit laufen die Tarifverhandlungen für das DRK. Bonuszahlungen sind vorgesehen.

Deutschland beginnt nun auch mit den Impfungen. Aber später als andere. Was sagen Sie dazu?

HASSELFELDT Ich habe viel Verständnis dafür, dass die Zulassung eines Impfstoffs auf EU-Ebene erfolgt, und begrüße, dass es keine Notzulassung wie in Großbritannien, sondern eine Regelzulassung gibt. Das schafft Vertrauen und das brauchen wir, damit sich möglichst viele Menschen impfen lassen. Hinsichtlich der Impfstrategie ist es richtig, dass wir in der ersten Stufe die vulnerablen Gruppen sowie das medizinische und pflegerische Personal priorisieren. Wir dürfen die Rettungskräfte nicht vergessen. Sie sind genauso nah an den Menschen wie Pflegekräfte. Sie leisten derzeit hervorragende Arbeit bei der Erstversorgung von Corona-Patienten.

Wie steht es denn um die Spendenbereitschaft im Corona-Jahr?

HASSELFELDT Die Spendenbereitschaft ist dieses Jahr noch größer geworden. Wir werden voraussichtlich knapp 50 Millionen Euro an Spenden erhalten. 2019 waren es etwas über 30 Millionen Euro. Das ist ein großer Sprung. Viele Menschen wollen anderen helfen. Das erfreut mich sehr. Allerdings ist der Bedarf auch sehr groß. Denn wir engagieren uns nicht nur in Deutschland, sondern auch in Ländern wie dem Jemen, Libanon, Somalia oder Syrien. Dort sind die Menschen nicht nur von Corona schwer belastet.

Wofür wird das an das Rote Kreuz gespendete Geld in Deutschland eingesetzt?

HASSELFELDT Das Geld kommt konkreten Projekten an der Basis, also direkt den hilfsbedürftigen Menschen zugute. Der Bedarf ist regional sehr unterschiedlich. Zum Beispiel haben wir Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien unterstützt, damit sie beim Home Schooling nicht abgehängt werden, oder entwickeln Digitalprogramme, damit Menschen mit Behinderung besser durch die Krise kommen.

Verwundert Sie die hohe Spendenbereitschaft?

HASSELFELDT Nein. Es ist schön zu erleben, wie groß die Hilfsbereitschaft in Deutschland ist. Dass es Bürger gibt, die das Virus ignorieren oder bei Demonstrationen leugnen, wirkt sich nicht negativ aus. Der Egoismus, den diese Menschen freilich an den Tag legen, erschreckt mich.

Auch, weil Sie an Corona erkrankt waren?

HASSELFELDT Ja. Ich war schon im März betroffen, und ich habe diese Krankheit als wirklich heimtückisch erlebt. Ich hatte hohes Fieber und lag eine Woche im Krankenhaus. Gerade aus dieser persönlichen Erfahrung heraus ist es mir ein großes Anliegen, alle zu mahnen, vorsichtig miteinander umzugehen und die Hygiene- und Kontaktregeln einzuhalten.

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