Wirtschaftsminister in tiefer Krise Robert Habeck braucht die Wärmewende – persönlich

Analyse | Berlin · Wirtschaftsminister Robert Habeck geht nach mehreren Fehlern durch die tiefste Krise seiner Politiker-Laufbahn. Wie der Grüne in diesen Wochen mit dem Heizungsgesetz umgeht, wird entscheidend sein – für seine Zukunft, für die der Grünen und sogar die der Ampel-Koalition.

 Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Donnerstag bei einem Besuch in Brandenburg.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Donnerstag bei einem Besuch in Brandenburg.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Der CDU-Wirtschaftsrat lässt Robert Habeck an diesem Dienstagmorgen wie einen Gladiator einziehen zwischen den voll besetzten Stuhlreihen im Berliner Marriott Hotel. Der Bundeswirtschaftsminister springt, begleitet von höflich-widerwilligem Beifall, auf die Bühne, nimmt Platz und die Chefin des Wirtschaftsrats, Astrid Hamker, beginnt ihre Rede. Sie gerät zu einer einzigen Abrechnung mit Habeck. Vor einem Jahr habe man den Vize-Kanzler „offen und wohlwollend“ begrüßt, „heute treffen Sie auf Ernüchterung aufgrund einer Politik, die vor allem auf Verbote und mehr Bürokratie setzt“, wettert Hamker. „Wir sind in großer Sorge um den Standort.“ Habeck scheint neben immer tiefer in den Stuhl zu sinken, seine eben noch freundliche Miene hat sich verhärtet.

Nach eineinhalb Jahren im Amt ist der bisherige Star der Grünen in eine tiefe Krise geraten, dieser Termin auf dem Wirtschaftstag der CDU-Mittelständler vergangene Woche ist symptomatisch dafür. Manche schreiben schon vom „Absturz des Ikarus“, andere spekulieren über das vorzeitige Ende dieser Politiker-Karriere. Habeck hat ein beispielloses Arbeitstempo hingelegt, kaum eine Woche verging ohne einen neuen Gesetzentwurf aus seinem Haus. Zudem ist er, wie auch am gestrigen Donnerstag in Brandenburg, ständig unterwegs. Bei diesem Höllentempo passieren Fehler, die ihm zunächst verziehen wurden. Doch in diesem Führjahr markierten der Vorwurf der Vetternwirtschaft und das miserabel vorbereitete Heizungsgesetz die Stimmungswende. Seine Beliebtheitswerte stürzten ab, die Grünen verloren Stimmen bei Wahlen in Berlin und Bremen.

Staatssekretär Patrick Graichen, für Habeck bisher der zentrale Mann für die Energiewende, musste gehen, weil er seine privaten Verbindungen aus den Amtsgeschäften nicht heraushalten konnte. Habeck hat Probleme auch wegen eines zweiten Staatssekretärs. Udo Philipp ist zuständig für die Förderung von Start-up-Firmen, aber selbst an einigen beteiligt. Habeck wurde deshalb vor Bundestagsausschüsse zitiert. Der unnötige Ärger bindet Kräfte, die ihm an anderer Stelle fehlen.

Zum Beispiel beim Heizungsgesetz, ein 177 Seiten langes Regelwerk, das die so genannte Wärmewende in Deutschlands Häusern einleiten soll. Statt die Heizungswende kommunikativ sorgfältig vorzubereiten, beklagte sich Habeck öffentlich darüber, dass Koalitionspartner den Gesetzentwurf vorzeitig an Medien durchgesteckt hätten.

Der Entwurf sieht vor, dass von 2024 an jede neu eingebaute Heizung klimafreundlich und ergo mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden muss. Wer ihm bös wollte, nutzte das für eine schlimme Kampagne – nach dem Motto, Habeck wolle den Deutschen die Heizungen herausreißen. Habeck hielt zu wenig dagegen, beharrte zu lange darauf, die Wärmewende wie geplant durchzuziehen. Erst spät ging er auf die Kritik der FDP ein. Nun muss er darum kämpfen, dass die Liberalen dem Gesetzentwurf vor der Sommerpause zustimmen. Stundenlang beantwortete Habeck in dieser Woche die 77 bohrenden Fragen der FDP. „Ob Habeck und die Grünen wieder aus dem Tief herauskommen, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob er beim Heizungsgesetz jetzt die Kurve bekommt und den Bedenken der Bürger hinreichend Rechnung trägt“, sagt Peter Matuschek vom Meinungsforschungsinstitut Forsa.

Wenn es nicht gut läuft, greift oftmals der Grandseigneur der Grünen, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, tadelnd ein. „Er hatte keinen guten Lauf und war zu schnell“, sagte der 75-Jährige jetzt im „Zeit“-Interview über Habeck. Politik sei eine pragmatische Veranstaltung, bei der man nicht mit dem Kopf durch die Wand könne. „Bei einem komplexen Gefüge wie den Heizungen mit Verboten vorzugehen, ist ein Ritt auf der Rasierklinge.“ Es sei „eine Frage von Weitsicht, auf Kritik einzugehen und dann Lösungen und Kompromisse zu erarbeiten“. Rumms.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfreid Kretschmann (Grüne) tadelt Parteifreund Habeck in einem Interview.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfreid Kretschmann (Grüne) tadelt Parteifreund Habeck in einem Interview.

Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Anders als sein Kontrahent im Kabinett, Finanzminister Christian Lindner, ist Habeck nicht Parteichef. Auch in der Grünen-Fraktion hat der Flensburger keine Hausmacht. Für Lindner und Kanzler Olaf Scholz (SPD) ist Habeck bei Ampel-Verabredungen weiterhin der zentrale Ansprechpartner, doch wie groß seine Durchsetzungskraft in der eigenen Partei ist, ist auch für sie nicht klar. Im Machtgefüge der Grünen gibt es fünf andere, die mitreden, zwei Parteichefs, zwei Fraktionschefinnen und Außenministerin Annalena Baerbock. Doch unter Druck werde Habeck am besten, sagt einer, der ihn lange kennt. Ihn abzuschreiben wäre zu vorschnell.

Zurück also ins Berliner Marriott Hotel zum CDU-Wirtschaftsrat. Nach der Klatsche der Vorrednerin Astrid Hamker richtet Habeck das Wort an die mehreren Hundert Unternehmer. „Ich möchte mich erneut outen als Fan der Sozialen Marktwirtschaft“, beginnt er. Der studierte Philosoph doziert über einen ihrer Erfinder, Alfred Müller-Armack, Wegbegleiter Ludwig Erhards. Dieser sei in den 1940-er Jahren aus der katholischen Soziallehre gekommen, habe gegen die „Verwirtschaftlichung des Lebens“ gekämpft, weil die Wirtschaft den Menschen dienen solle, nicht umgekehrt. Der gesetzliche Rahmen für das freie Spiel der Marktkräfte müsse dementsprechend immer wieder „neu justiert“ werden, genau das versuche er in Zeiten des Klimawandels.

Habeck, der Gladiator, verlässt die Bühne erhobenen Hauptes und unter tosendem Applaus. Die Unternehmer stehen jetzt hinter ihm.

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