Nach Protestaktionen im Rheinischen Tagebau Krach um die Kohle

Erkelenz/Berlin/Düsseldorf · Den geplanten Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle will der Bund eigentlich im Konsens organisieren. Dazu steht auch schon ein hart errungener Kompromiss. Jetzt kochen aber wieder Konflikte hoch. Im Rheinland kommt es zu spektakulären Protestaktionen.

 Aktivisten, die in die Braunkohlegrube Garzweiler eingedrungen sind, schützen sich mit Thermodecken vor der Sonne.

Aktivisten, die in die Braunkohlegrube Garzweiler eingedrungen sind, schützen sich mit Thermodecken vor der Sonne.

Foto: dpa/David Young

(dpa) Sie kommen mit Rucksäcken und Sonnenschirmen. Viele tragen weiße Overalls. Der trockene Boden an der Abbaukante staubt, als Hunderte Umweltaktivisten am Samstag in den Tagebau Garzweiler mit seinen Riesenbaggern und Anlagen rennen oder rutschen. Andere Aktivisten besetzen Bahngleise zwischen den Kraftwerken Neurath und Niederaußem und ein Haus in der vom Tagebau bedrohten Ortschaft Morschenich.

Der spektakuläre Protest im Rheinland soll Druck für einen sofortigen Ausstieg aus der klimaschädlichen Braunkohle machen. Daran hängen aber auch Tausende Jobs in den Bergbauregionen. Die Politik setzt deswegen auf einen breit angelegten Konsens für das angestrebte Ende der Kohleverstromung in Deutschland. Doch parallel zu den Aktionen im Gelände gibt es auch auf der politischen Bühne neue Aufregung.

Den Stein ins Wasser wirft CSU-Chef Markus Söder. „Sind wir ehrlich“, verkündete der bayerische Ministerpräsident via Münchner Merkur am Samstag: „Die deutschen Klimaziele sind bis 2030 nur zu erreichen, wenn wir den Kohleausstieg massiv beschleunigen.“ Und das heiße: „Am Ende müssten wir eigentlich im Jahr 2030 aussteigen.“ Nanu? Erst im Januar hatte sich eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission nach langem Ringen auf einen Ausstiegsplan verständigt – Zieldatum für das Abschalten des letzten Kohlekraftwerks: spätestens 2038.

Das soll nicht zuletzt allen Betroffenen Planungssicherheit geben, in Kombination mit Zusagen für milliardenschwere Ausgleichsmaßnahmen. Für sein Klima-Überholmanöver erntet Söder denn auch prompt scharfen Protest. „Super Vorschlag“, kontert Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in Richtung seines Amtskollegen. „Wenn du in Bayern keine Braunkohle hast, kannst du das super fordern.“ Der Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, ätzt per Twitter, Söder simuliere den Klimaaktivisten und mache „wie immer Vorschläge zu Lasten Dritter“. Mit dem Vorstoß legt sich der CSU-Chef auch mit Granden der CDU an, die in puncto Klimaschutz ohnehin noch in einer Orientierungsphase ist – auch wenn sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beim Evangelischen Kirchentag am Samstag erneut zum Klimaschutz bekennt. In der Diskussion sind schon eine Menge möglicher Instrumente – von handfesten Veränderungen beim Verkehr bis zu einer Bepreisung klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2). Von einem stimmigen Konzept dafür ist die schwarz-rote Koalition aber noch weit entfernt.

Soll da nun auch noch der mühsam gefundene Kohle-Kompromiss infrage gestellt werden? Söder meldet daneben gleich Zweifel am Finanzteil an, der den Kohleregionen in Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg Bundeshilfen von 40 Milliarden Euro verspricht. „Das Geld ist in der Forschung für erneuerbare Energien besser aufgehoben und würde Jobs in ganz Deutschland halten“, argumentiert nun aber der CSU-Chef. Erst im Mai hatte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nach Kritik aus dem Bundestag Änderungen strikt abgelehnt.

Die Debatte um Milliarden und Jahreszahlen ist nun womöglich wieder eröffnet. Die Umweltorganisation Greenpeace nahm Söders Ball gern auf: „Die letzten Kohlekraftwerke müssen bis 2030 vom Netz“, sagte Geschäftsführer Martin Kaiser, der Mitglied der Kohlekommission war. Eine gewisse zeitliche Flexibilität ist in den Kompromiss aber schon eingebaut: Demnach soll 2032 überprüft werden, ob das Ausstiegsdatum im Einvernehmen mit den Betreibern auf 2035 vorgezogen werden kann.

Der Protest im rheinischen Revier ging am Sonntag nach drei Tagen zu Ende. Der Tagebau sei seit dem Mittag geräumt, meldet die Aachener Polizei. Mehr als 6000 Aktivisten hätten am Wochenende Flagge gezeigt, bilanziert Bündnis-Sprecherin Kathrin Henneberger: „Wir haben an vielen Stellen blockiert. Damit haben wir ein deutliches Zeichen gesetzt. Für den Klimaschutz muss jetzt etwas passieren.“

Die Polizei hatte große Mühe, den besetzten Tagebau Garzweiler zu räumen. Hier stehen Beamte vor einem Schaufelradbagger.

Die Polizei hatte große Mühe, den besetzten Tagebau Garzweiler zu räumen. Hier stehen Beamte vor einem Schaufelradbagger.

Foto: dpa/David Young

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) übt derweil scharfe Kritik an den Blockaden. „Mein Dank gilt den Polizistinnen und Polizisten, die unter extrem schwierigen Bedingungen professionell und besonnen im Einsatz waren“ sagt der Minister gestern. „Demgegenüber stehen die gewalttätigen Aktionen aus den Reihen von Ende Gelände. Einerseits hehre Ziele in einem Aktionskonsens verkünden und sich dann daran nicht halten, ist entlarvend. Damit haben sie sich selbst und Polizisten in Gefahr gebracht.“ Auch RWE zeigt kein Verständnis für die Aktivisten und nennt die Aktionen unverantwortlich und widerrechtlich“.

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