Bundespolizei und AfD „Da gibt es ein Schmerzgedächtnis“

Berlin · Dass viele Bundespolizisten AfD-nah sind, hat auch mit politischen Versäumnissen in der Flüchtlingspolitik zu tun, sagt der Vize-Chef der Gewerkschaft GdP.

 Jörg Radek, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Jörg Radek, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Foto: picture alliance / dpa/Arno Burgi

Für Jörg Radek, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und zuständig für die Bundespolizei, geht der Streit zwischen Innenminister Horst Seehofer (CSU) und CDU-Mann Friedrich Merz über AfD-Sympathisanten an den Befindlichkeiten der Beamten vorbei. Es gebe vermehrt Bundespolizisten, die für die AfD kandidieren würden.

Herr Radek, wie stark sind die rechten Tendenzen in der Bundespolizei wirklich?

RADEK Es gibt dazu keine Zahlen oder Daten. Wir haben aber festgestellt, dass vermehrt Bundespolizisten und Beschäftigte der Bundespolizei für die AfD kandidieren oder dies tun wollen.

Innenminister Seehofer sagt, die Annahme von Friedrich Merz, man verliere Teile der Bundespolizei an die AfD, sei „schon im Ansatz“ falsch. Sie widersprechen ihm also?

RADEK Da geht es doch um die unterschiedliche Bewertung innerhalb eines politischen Lagers. Die Auseinandersetzung zwischen Seehofer und Merz wird den Befindlichkeiten der Bundespolizisten nicht gerecht. Ich jedenfalls kann nicht ignorieren, wenn ich mich mit Kollegen unterhalte und die mir sagen, ja, wir haben welche, die kandidieren für die AfD.

Warum ist das so?

RADEK Da müssen wir zurückgehen in das Jahr 2015, dem Jahr der Flüchtlingskrise. Die politischen Entscheidungen, die damals getroffen worden sind, sind den Beamten nicht erklärt und vermittelt worden.

Welche meinen Sie konkret?

RADEK Wenn jemand von Berufs wegen einen Grenzschutz organisieren und unerlaubte Einreisen verhindern soll, dann aber von Zurückweisungen keinen Gebrauch machen darf, dann muss man ihm auch erklären, warum. Genau das hat seinerzeit gefehlt. Was wir erleben, ist sozusagen eine Spätfolge des Jahres 2015.

Aber das allein kann doch nicht der Grund sein.

RADEK Die Beschäftigten der Bundespolizei stehen eindeutig auf dem Boden der freiheitlichen Grundordnung. Sie haben einen Amtseid auf die Verfassung geleistet und diesen Eid erfüllen die Kollegen auch. Gefährlich wird es dann, wenn die Führung den Verfassungspatriotismus in der Bundespolizei nicht stärkt. Stichwort politische Bildung. Und damit meine ich Diskussionsräume für die Beamten über ihre Erfahrungen aus dem Alltag.

Ist der Frust über diesen Alltag vielleicht zu groß – und die AfD nur ein Ventil?

RADEK Dass es viel Unverständnis gibt über polizeiliches Handeln und die anschließende, juristische Bewertung liegt auf der Hand. Das ist aber nur ein Baustein. Der Bundespolizei ist in der Flüchtlingskrise nicht die Wertschätzung entgegengebracht worden, die sie verdient hat. Da hat eine Organisation ein Schmerzgedächtnis.

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