Experte von Lucke zu Steinmeier-Erklärung „Das war ein hoch strategischer Coup“

Berlin · Der Politwissenschaftler und Redakteur der „Blätter für deutsche und internationale Politik“, Albrecht von Lucke, hält die Erklärung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, sich zur Wahl stellen zu wollen, für sehr bedenklich. Warum?

 Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht für eine zweite Amtszeit bereit.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht für eine zweite Amtszeit bereit.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Herr von Lucke, wie bewerten Sie die Ankündigung des Bundespräsidenten, eine zweite Amtszeit zu wollen?

VON LUCKE Frank-Walter Steinmeier hat immer gesagt, er wolle sich frühzeitig erklären. Jetzt aber tritt er ganz bewusst während eines umkämpften Bundestagswahlkampfs an – genau darum wissend, dass so eine Ankündigung enorme politische Bedeutung hat.

 Der Politwissenschaftler und Redakteur der „Blätter für deutsche und internationale Politik“, Albrecht von Lucke.

Der Politwissenschaftler und Redakteur der „Blätter für deutsche und internationale Politik“, Albrecht von Lucke.

Foto: picture alliance / Eventpress/dpa Picture-Alliance / Eventpress Stauffenberg

Hat Sie Steinmeiers Erklärung also nicht überzeugt?

VON LUCKE Der Satz, „ich möchte mich für eine zweite Amtszeit zur Wahl stellen“, ist hoch bedenklich. Steinmeier bewirbt sich damit in fast direkt-demokratischer Manier um ein Amt, das aus guten Gründen, nämlich wegen des Scheiterns der Weimarer Republik, gerade nicht in direkter Wahl von der Gesamtbevölkerung bestimmt wird, sondern von den Parteien in der Bundesversammlung.

Hat es eine solche Bewerbung um eine zweite Amtszeit nicht schon einmal gegeben – bei Johannes Rau zum Beispiel?

VON LUCKE Da war der Fall zeitlich anders gelagert, er lag nämlich nicht in einem Bundestagswahlkampf. Steinmeier hat einen hoch strategischen Coup gelandet. Er wirft seinen Hut bewusst in einer Zeit in den Ring, in der die Parteien höllisch aufpassen müssen, ihre eigenen Chancen bei der Bundestagswahl nicht zu gefährden. Taktisch war das also ein durchaus kluges Manöver.

Inwiefern?

VON LUCKE Zwar behauptet Steinmeier, jetzt gelte die Aufmerksamkeit natürlich der Bundestagswahl, aber gleichzeitig macht er es den Parteien nun ausgesprochen schwer, ihm als einem durchaus anerkannten Präsidenten die Unterstützung zu verwehren.

Über Steinmeiers Kandidatur dürfte sich in erster Linie seine Partei, die SPD, freuen.

VON LUCKE In der Tat. Schon damit wird seine Kandidatur zum Wahlkampfthema. Übrigens hat Steinmeier als Bundespräsident entscheidend dazu beigetragen, seine Partei in die große Koalition zu bringen. Ironischerweise ist er nun, zum Ende der Koalition, wieder im Spiel. Dabei könnte die SPD nach der nächsten Wahl gar nicht mehr in der Regierung sein – und dann hätte Steinmeier kaum eine Chance auf eine zweite Amtszeit. Deshalb sucht er schon jetzt die Entscheidung.

Steinmeier ist beliebt. Zählt das denn nicht?

VON LUCKE Das ist sein großes Pfund. Wir haben im Moment drei schwache Kanzlerkandidaten und eine Kanzlerin, die aufhört. Steinmeier ist damit der einzige, der Kontinuität und Beliebtheit verkörpert.

Welche Akzente müsste er in einer zweiten Amtszeit setzen?

VON LUCKE Er müsste weiter die Demokratie verteidigen, denn die Fliehkräfte werden nach Corona dramatisch sein. Die Gesellschaft zusammenzuhalten, wird die zentrale Aufgabe des nächsten Bundespräsidenten sein – ob er nun Steinmeier heißt oder doch anders.

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