"Ohne Schwarz-Grün kein Rot-Rot-Grün"

Berlin · Die Grünen kommen heute in Berlin zu einem kleinen Parteitag, dem so genannten Länderrat, zusammen, um über eine personelle und inhaltliche Neuausrichtung zu beraten. Der grüne Europa-Abgeordnete Werner Schulz empfiehlt seiner Partei ernsthafte Koalitionsverhandlungen mit der Union und einen kompletten Wechsel der Fraktionsführung. Mit Schulz sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter.

Herr Schulz, Sie gelten als Befürworter schwarz-grüner Bündnisse. Ist das die Zukunft Ihrer Partei?
Werner Schulz: Die ausschließliche Fixierung auf Rot-Grün im Wahlkampf war jedenfalls ein großer Fehler. Spätestens jetzt sollte man die rot-grüne Mumie beerdigen.

Sie sind gegen eine Kandidatur von Katrin Göring-Eckardt für den Fraktionsvorsitz. Warum?
Werner Schulz: Katrin Göring-Eckardt sollte im Wahlkampf die politische Bandbreite für die Grünen erweitern und Wähler auch im wertkonservativen Milieu gewinnen. Stattdessen hat sie Jürgen Trittin noch links überholt und sich schärfer von der Union abgegrenzt als er. Sie hat uns auch die unselige Debatte über den Veggie-Day eingebrockt. Wer sich aus der Verantwortung stiehlt, darf nicht auch noch mit dem Fraktionsvorsitz belohnt werden.

Erwarten Sie dazu auch ein Signal vom Länderrat?
Werner Schulz: Diese Entscheidung fällt ja in der Fraktion. Vom Länderrat erwarte ich, dass er mit der grünen Selbstbeschäftigung aufhört. Dieses Land braucht eine handlungsfähige Regierung. Die Union sucht nach einem Koalitionspartner. Und unsere Partei hat nicht nur eine Verantwortung für sich, sondern auch für das Land.

Wäre eine schwarze "Kröte" wie das Betreuungsgeld für die Grünen wirklich verdaulich?
Werner Schulz: Wenn man bei der Wahl 8,4 Prozent errungen hat, dann wird man nicht 84 Prozent der eigenen Programmatik in einem Koalitionsvertrag umsetzen können. Dann muss man sich auf Kernthemen konzentrieren, allen voran die Energiewende. Ich erwarte vom Länderrat, dass er grünes Licht für ernsthafte Gespräche mit der Union gibt. Eine Koalition mit der Union kann doch nicht am Betreuungsgeld oder an Horst Seehofer scheitern. Das wäre lächerlich.

Die Grünen sollen also künftig die FDP ersetzen?
Werner Schulz: Unsinn. Die FDP war doch nur noch eine Hülle ohne Inhalt. Deshalb ist sie gescheitert. Die Grünen müssen offen sein für Reformbündnisse. Und zwar als eine ökologische, liberale Bürgerrechtpartei mit sozialem Engagement. Dann wären wir fähig, gerade wegen unserer Inhalte sowohl mit der SPD als auch mit der Union Regierungen zu bilden. Koalitionen sind doch lediglich Zweckbündnisse auf Zeit.

An möglichen Sondierungsgesprächen sollen laut Vorstandsbeschluss auch Trittin und Göring-Eckardt teilnehmen. Eine gute Idee?
Werner Schulz: Auch darüber sollte der Länderrat nachdenken und eine neue Verhandlungsführung bestimmen. Denn nach diesem Wahlkampf sind von den beiden keine ernsthaften Verhandlungen mit der Union zu erwarten.

Warum spielt die Partei nicht die rot-rot-grüne Karte?
Werner Schulz: Das steht im Moment nicht an, schon weil die Linken außenpolitisch nicht regierungsfähig sind. Aber: Diese Option könnte in vier Jahren auf der Agenda stehen. Käme es zu einer schwarz-grünen Koalition, könnte SPD und Linke in der Opposition ihre Gemeinsamkeiten ausloten und Differenzen abbauen.

Und dann?
Werner Schulz: Eine realitätstüchtige Linkspartei, die die SPD nicht mehr als größten Feind betrachtet, würde auch die rot-rot-grüne Option beflügeln. Wer die rot-rot-grüne Option will, der muss jetzt für Schwarz-Grün sein.

Eine gewagte These.
Werner Schulz: Und wenn es im Bund jetzt nicht klappt, dann wenigstens in Hessen. Als es dort 1985 erstmals zu eine rot-grünen Landesregierung kam, waren die kulturellen Unterschiede zur SPD größer als heute mit der Union. Mit Schwarz-Grün würde Hessen erneut Geschichte schreiben.

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