Nitrat im Grundwasser Ministerinnen müssen zum Gülle-Rapport nach Brüssel

Brüssel · Die Grundwasser-Grenzwerte für Nitrat werden seit 25 Jahren in Deutschland nicht eingehalten. Jetzt hat die EU ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

 Nitrat_im_Grundwasser

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Foto: SZ/Steffen, Michael

Der Streit zwischen der EU und Deutschland wegen zu hoher Nitratwerte im Grundwasser ist uralt. Immer wieder hat die Kommission gedroht, Deutschland verklagt und wirksame Maßnahmen angemahnt. Vergeblich. Jetzt hat sie ein zweites Vertragsverletzungsverfahren gestartet. Am Mittwoch kommen Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) nach Brüssel und müssen Rapport erstatten.

Worum geht es?

In Deutschland gerät zu viel Nitrat ins Grundwasser. Der EU-Grenzwert liegt bei 50 Milligramm je Liter. An 28 Prozent der Grundwasserspeicher wird er überschritten. Teils werden Werte von 200 bis 300 Milligramm je Liter gemessen. Die hohen Nitratwerte im Grundwasser sind vor allem darauf zurückzuführen, dass die Böden die von den Bauern aufgebrachten hohen Mengen Dünger nicht aufnehmen können und ans Grundwasser abgeben.

Bestehen Gesundheitsgefahren?

Nein, die Wasserbetriebe sorgen dafür, dass aus dem Wasserhahn erstklassiges Trinkwasser kommt. Dafür müssen sie aber in vielen Regionen Deutschlands einen höheren Aufwand treiben. Sie müssen belastetes Grundwasser mit unbelastetem Wasser mischen sowie neue Grundwasserspeicher erschließen. Das kostet Geld, was die Wasserrechnung der Verbraucher erhöht.

Welche Rolle spielt die Landwirtschaft?

Problematisch sind zum einen Viehbetriebe mit jeweils zehntausenden Schweinen oder tausenden Kühen. Auch Geflügelmassenbetriebe sind beteiligt. Die Tiere scheiden so viel Mist aus, dass er von den Äckern nicht mehr absorbiert werden kann. Regionen mit extrem hoher Viehkonzentration liegen vor allem in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, auch in Nordrhein-Westfalen und in Bayern. Aber auch Betriebe, die sich auf bestimmte Pflanzen spezialisiert haben, tragen zur hohen Nitratkonzentration bei. Beim Anbau von Spargel, Obst und Gemüse, aber auch von Weizen kommen zur Steigerung der Erträge in der intensiven Landwirtschaft hohe Dosen von mineralischem Kunstdünger zum Einsatz, die ebenfalls häufig ans Grundwasser weitergereicht werden. Dies ist im Rhein-Main-Gebiet, aber auch in Teilen Baden-Württembergs problematisch. Die Rede ist zudem von Gülle-Tourismus: Betriebe mit Massenviehhaltung aus den Niederlanden, wo die Gesetzgebung zum Schutz des Grundwassers schon schärfer ist, bringen Gülle auf Äcker in Norddeutschland.

Was will die EU-Kommission, und warum tut sich Deutschland so schwer damit?

Die Kommission will lediglich, dass die über 25 Jahre alten Grenzwerte eingehalten werden. Die Wasserbetriebe und Umweltschützer behaupten: Nur wenn es drastisch weniger industriell arbeitende Vieh-, Gemüse- und Getreidebauern gibt, sinkt die Ausbringung von natürlichem und künstlichem Dünger nachhaltig. Die Kommission fordert, dass in den Problemgebieten die Ausbringung von Dünger je Acker um 20 Prozent reduziert wird. Die Bundesregierung hat lediglich angeboten, dass die Betriebe in den problematischen Gegenden die Düngung im Schnitt um 20 Prozent absenken. Die Kommission gibt Deutschland bis März Zeit, die richtigen Konsequenzen zu ziehen.

Was steht auf dem Spiel?

Finanziell stehen Strafzahlungen von 857 000 Euro je Tag im Raum, sollte der Europäische Gerichtshof (EuGH) zum Schluss kommen, dass Berlin nicht konsequent gehandelt hat. Politisch steht vor allem für Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) viel auf dem Spiel: Sollte Deutschland verurteilt werden, wäre dies eine große Blamage. Die Niederlande und Dänemark etwa haben längst dafür gesorgt, dass weniger Nitrat ins Grundwasser gerät. Die deutsche Landwirtschaft stünde als Umweltsünder da.

Womit wollen die Ministerinnen den Kommissar überzeugen?

Sie argumentieren, dass der EuGH in seinem Urteil gegen Deutschland aus dem Jahr 2018 noch nicht die Düngeverordnung aus 2017 einbezogen habe. Die Kommission hat bereits durchblicken lassen, dass auch die neue Verordnung nicht ausreiche. Daher werden die deutschen Ministerinnen versprechen, Aufzeichnungspflichten zum Düngen für Betriebe einzuführen, Sperrzeiten für das Ausbringen von Dünger in gefährdeten Gebieten zu verlängern und schärfere Vorgaben für das Düngen an Hängen zu machen.

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