Bundesregierung beschließt Paket gegen Rechtsextremismus Neun Punkte gegen den Hass

Berlin · NSU, Lübcke, Halle: Innenminister Horst Seehofer sieht in Deutschland eine Kontinuität rechter Hassverbrechen. Die Bundesregierung will Lehren daraus ziehen.

 Hier protestiert eine Aktivistin der Nichtregierungsorganisation Campact mit einem Plakat gegen Hassnachrichten. Jetzt will auch die Regierung schärfer dagegen vorgehen.

Hier protestiert eine Aktivistin der Nichtregierungsorganisation Campact mit einem Plakat gegen Hassnachrichten. Jetzt will auch die Regierung schärfer dagegen vorgehen.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Die Hasser schrecken vor nichts zurück: Im Netz prangern sie Menschen an – veröffentlichen Listen mit Namen von Juden, Muslimen sowie Politikern, Organisationen und anderen, die sich etwa dem Kampf gegen Rechts verschworen haben und die sie als ihre „Feinde“ betrachten. Einige der auf der Liste erwähnten Leute wandten sich aus Angst um Leib und Leben an den Verfassungsschutz. Vergeblich, wie eine der Betroffenen auf Facebook schreibt. Die Behörden könnten keinen Schutz bieten, solange „nichts passiert“, heißt es weiter. Wie viel aber muss überhaupt noch passieren? Nun hat die Bundesregierung ein Neun-Punkte-Paket vorgelegt:

Meldepflicht für Hass im Netz: Morddrohungen und Volksverhetzung sollen soziale Netzwerke wie Facebook künftig dem Bundeskriminalamt (BKA) melden müssen. Das gilt auch für andere schwere Vergehen wie verfassungsfeindliche Straftaten, also zum Beispiel das Verwenden von Kennzeichen verbotener Organisationen. Derzeit müssen die Anbieter solche Inhalte nur löschen. Eine neue „Zentralstelle“ beim BKA soll diese Inhalte und die IP-Adressen sammeln.

Cyber-Stalking, Hetze und aggressive Beleidigung: Das Strafgesetzbuch soll ergänzt werden um Regelungen zur Hasskriminalität. Dabei soll es um die Aufforderung zu Straftaten oder auch deren Billigung oder Verharmlosung gehen. Die Strafen für Beleidigung werden verschärft.

Mehr Schutz für Kommunalpolitiker: Kommunalpolitiker will das Kabinett unter den besonderen Schutz des Paragrafen 188 des Strafgesetzbuches stellen. Der schützt bisher „im politischen Leben des Volkes stehende Person“ vor übler Nachrede und Verleumdung. Angewendet wird das bislang vor allem bei Bundes- und Landespolitikern. Die Bundesregierung will den Paragrafen so verändern, dass er auch Kommunalpolitiker erfasst.

Mehr Austausch zum Rechtsextremismus: Die Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern sollen hier stärker zusammenarbeiten und sich auch mehr mit der Polizei austauschen.

Waffenrecht wird verschärft: Künftig soll vor jeder Erteilung einer Waffenerlaubnis immer erst beim Verfassungsschutz geprüft werden, ob der Antragsteller dort als Extremist bekannt ist. Bisher ist das nicht zwingend vorgeschrieben. Das hat unter anderem dazu geführt, dass Ende vergangenen Jahres 792 Rechtsextremisten über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügten.

Mehr Schutz für Notfallmediziner: Angriffe auf medizinisches Personal in Notaufnahmen will das Kabinett zukünftig so hart bestrafen wie Angriffe auf Polizisten und Soldaten. Die betreffenden Paragrafen 113 bis 115 im Strafgesetzbuch sollen dafür auf „medizinisches Personal von ärztlichen Notdiensten und Notfallambulanzen“ erweitert werden.

Melderegister: Wer bedroht wird, soll künftig leichter eine Sperrung seiner Adressdaten im Melderegister bewirken können. Die Hürden dafür sind bisher hoch. Das betreffe zum Beispiel auch Menschen, die bei der Arbeitsagentur arbeiteten, sagte Innenminister Horst Seehofer (CSU).

Prävention: Die Bundesregierung will das Förderprogramm „Demokratie leben!“ bis 2023 mit jeweils mindestens 115 Millionen Euro jährlich weiterfinanzieren. Dazu habe es eine Verständigung mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gegeben, sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Über das Programm werden nach Angaben des Familienministeriums mehr als 4000 Projekte vor Ort gefördert.

Mehr Personal: Um den Kampf gegen Rechtsextremismus zu verstärken, forderten Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt jüngst insgesamt 740 neue Stellen. Seehofer stellte sich hinter die Pläne, wollte aber am Mittwoch keine Zahlen nennen. Er muss nun in den Haushaltsberatungen für das nötige Geld kämpfen.

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