Rechtsextremismus Aussage im Fall Lübcke wirft Frage nach rechtem Netzwerk auf

Berlin · Durch das neue Geständnis des Hauptverdächtigen im Mordfall Lübcke fühlen sich Politiker bestätigt, die hinter dem Attentat eine rechtsextremistische Gruppe vermuten. Die Angaben von Stephan E. über einen zweiten Täter seien „hochbrisant“, sagte der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser.

  Walter Lübcke (CDU) wurde im Juni 2019 auf seiner Terrasse mit einem Kopfschuss getötet.

Walter Lübcke (CDU) wurde im Juni 2019 auf seiner Terrasse mit einem Kopfschuss getötet.

Foto: dpa/Arne Dedert

„Zum einen steht der Vorwurf der Bildung einer terroristischen Vereinigung im Raum“, erklärte der Bundestagsabgeordnete. Zum anderen habe es bereits bei der Mordserie der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) Hinweise auf mögliche Helfer und Mitwisser aus der Kasseler Neonaziszene gegeben. Der Generalbundesanwalt müsse nun alle NSU-Akten „auf links drehen“.

Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war im Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses mit einem Kopfschuss getötet worden. Der als Neonazi bekannte Stephan E. soll nach bisherigen Ermittlungen der Schütze sein. Bisher gibt es keine Belege für die Anwesenheit eines weiteren Mannes am Tatort. Stephan E. legte ein umfassendes Geständnis ab, das er später aber widerrief. Am Mittwoch erklärte sein Anwalt nun, Stephan E. sei gemeinsam mit Markus H. bei Lübcke gewesen. Gegen H. wird bisher wegen des Verdachts der Beihilfe zum Mord ermittelt. Der Anwalt von Stephan E. sagte, sein Mandant gehe davon aus, dass H. den Schuss nach ihrem Streit mit Lübcke versehentlich abgegeben habe. Nach Angaben von Verteidiger Frank Hannig hatte Stephan E. mit seinem ersten Geständnis Markus H. schützen wollen – ihm seien dafür Schutz und finanzielle Vorteile für seine Familie versprochen worden.

Ursprünglich hatte E. ausgesagt, er habe seine Familie durch kriminelle Ausländer bedroht gesehen, dazu hätten ihn islamistische Anschläge stark aufgewühlt. Lübcke, der 2015 die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft bei Kassel verteidigt hatte, habe er daran eine Mitschuld gegeben.

Dass Markus H. ebenfalls am Tatort gewesen sein könnte, sei angesichts des engen Verhältnisses der beiden Männer nicht unwahrscheinlich, sagte der Obmann der Union im Innenausschuss, Armin Schuster. Die bisherigen Ermittlungen hätten ergeben, dass H. eher der rechtsextremistische Denker war und E. eher das Werkzeug. Bei den neuen Angaben von Stephan E. zum Tathergang sehe er dagegen „ein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem“, sagte Schuster. Denn dies sei „eine Aussage, die beide stark entlastet“.

Wer Täter, Mittäter und Unterstützer war, müsse der Generalbundesanwalt klären, sagte die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linke). Sollte Stephan E. tatsächlich Schutz und Geld angeboten worden sein, könnte dies ein Hinweis auf einen größeren Unterstützerkreis sein, sagte Renner.

Die Innenexpertin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, forderte ebenfalls Klarheit über mögliche Hintermänner. „Der Tathergang und auch die mutmaßliche Beteiligung weiterer Tatverdächtiger müssen unabhängig von der Glaubhaftigkeit der Einlassungen von Stephan E. aufgeklärt werden. Wir müssen wissen, welche Netzwerkstrukturen hinter dem Mord an Walter Lübcke standen, konkrete Mittäter und deren Umfeld“, sagte Mihalic dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

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