Lambrecht-Nachfolge „Ich will die Bundeswehr stark machen“: Boris Pistorius wird neuer Verteidigungsminister

Update · Boris Pistorius wird das Verteidigungsministerium nach dem Rücktritt von Christine Lambrecht (beide SPD) übernehmen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Ernennung bestätigt. Pistorius will das Amt mit Demut und Respekt angehen.

Nachfolger von Lambrecht: Boris Pistorius wird neuer Verteidigungsminister
Foto: dpa/Moritz Frankenberg

Nach dem Rücktritt von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am Montag wird der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (beide SPD) ihr Nachfolger. Bundeskanzler Olaf Scholz bestätigte die Personalie. Pistorius sei ein „herausragender Politiker“, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). „Pistorius ist ein äußerst erfahrener Politiker, der verwaltungserprobt ist, sich seit Jahren mit Sicherheitspolitik beschäftigt und mit seiner Kompetenz, seiner Durchsetzungsfähigkeit und seinem großen Herz genau die richtige Person ist, um die Bundeswehr durch diese Zeitenwende zu führen“, erklärte er weiter.

Er soll am Donnerstag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Ernennungsurkunde erhalten und im Bundestag seinen Amtseid leisten, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Dienstag mitteilte.

Pistorius: „Ich will die Bundeswehr stark machen“

In einer ersten Stellungnahme versicherte Pistorius am Dienstag in Hannover, dass er sich vor die Soldatinnen und Soldaten stellen werde. Er übernehme das Amt sehr gern und wisse um dessen Bedeutung in schwierigen Zeiten. Die Aufgaben für die Truppe seien gewaltig. „Ich will die Bundeswehr stark machen“, betonte Pistorius.

Der scheidende Innenminister von Niedersachsen sagte weiter, er gehe das neue Amt mit Demut und Respekt an. Es sei eine große Ehre für ihn. Er wolle sich vom ersten Tag an zu 150 Prozent in die Arbeit stürzen. Der zurückgetretenen Ministerin Christine Lambrecht (SPD) bescheinigte er, dass sie den Anfang für die Neuaufstellung der Bundeswehr gemacht habe.

Neuer Verteidigungsminister: Wer ist Boris Pistorius?

Der niedersächsische Innenminister Pistorius absolvierte eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Von 1980 bis 1981 leistete er seinen Wehrdienst, anschließend studierte er Rechtswissenschaften in Osnabrück und Münster. Pistorius ist bereits seit 2013 Innenminister in Niedersachsen, vor wenigen Monaten begann seine dritte Amtszeit. Zuvor war er von 2006 bis 2013 Oberbürgermeister in Osnabrück. Pistorius ist verwitwet und hat zwei Töchter.

Pistorius gilt als erfahrener Polit-Manager. Im Kreis der Innenminister von Bund und Ländern hat sich Pistorius in den vergangenen Jahren einen Ruf als kenntnisreicher Fachpolitiker erworben. Auch wenn er stets in Niedersachsen blieb, war er auch an der innenpolitischen Positionierung der Bundes-SPD in Wahlkämpfen und an Koalitionsverhandlungen beteiligt.

Bei den Innenministerkonferenzen machte es dem als pragmatisch geltenden Pistorius immer sichtlich Freude, sich mit Konservativen wie dem früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf offener Bühne zu streiten, schlagfertig, mit spitzen Bemerkungen, aber nie respektlos. Zur Idealbesetzung für den Posten des Verteidigungsministers macht Pistorius vielleicht auch sein Alter. Mit 62 Jahren kann ein Politiker schließlich ganz entspannt das Chefbüro im Bendlerblock beziehen, das gemeinhin als Schleudersitz und damit auch als potenzieller Karrierekiller gilt.

Entscheidung für Pistorius: So reagiert die Politikwelt

Die Partner der SPD in der Ampel-Koalition lobten die Personalie. Finanzminister Christian Lindner gratulierte Pistorius umgehend. In einem Tweet sprach der FDP-Chef von seinem „neuen Kabinettskollegen Boris Pistorius“. „Vor allem mit der Umsetzung des Sondervermögens liegt eine große Aufgabe vor uns“, schrieb er. Er freue sich auf eine gute Zusammenarbeit von Finanz- und Verteidigungsministerium.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr lobte die Entscheidung ebenfalls. „Ich bin davon überzeugt, dass er der richtige Mann für das Amt des Verteidigungsministers ist“, sagte er dem Nachrichtenportal t-online. Er kenne ihn aus seiner Zeit im niedersächsischen Landtag und habe ihn als Innenminister dort stets geschätzt. „Herr Pistorius hat langjährige Erfahrung mit der Struktur unserer Sicherheitsbehörden, zudem war er selbst bei der Bundeswehr. Ich bin davon überzeugt, dass er der richtige Mann für das Amt des Verteidigungsministers ist und die Zeitenwende mit Leben füllen kann“, sagte Dürr.

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) begrüßte die Ernennung des Niedersachsen. „Boris Pistorius ist ein sehr erfahrener Politiker, der in schwierigen Situationen über die nötige Nervenstärke verfügt.“ Pistorius übernehme das Verteidigungsressort „in sehr entscheidenden Zeiten“. „Es sind auch kurzfristig wichtige Entscheidungen zu treffen, insbesondere die drängende Frage, wie wir die Ukraine in ihrem Recht auf Selbstverteidigung weiter unterstützen. Deutschland trägt hier eine Verantwortung und muss große Aufgaben bewältigen“, erklärte Habeck.

Aus der Union wiederum kam Kritik an der Personalie. „Der Bundeskanzler zeigt damit, dass er seine eigene Zeitenwende nicht ernst nimmt“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul (CDU), der Deutschen Presse-Agentur. „Erneut spielen Sachkompetenz und Erfahrung mit der Bundeswehr keine Rolle“, kritisierte Wadephul. Bei der Personalie handle es sich um eine „Besetzung aus der B-Mannschaft“. Damit sei Kanzler Scholz „eine echte Überraschung gelungen. Nur leider keine gute.“ Um die Bundeswehr voranzubringen, brauche es nicht nur Geld, sondern auch Sachverstand. „Angesichts der Lage wird Boris Pistorius keine 100 Tage Einarbeitung haben können“, betonte Wadephul.

Boris Pistorius muss aus Sicht von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt unter seiner Vorgängerin liegen gebliebene Projekt schnell anpacken. „Verlorene Zeit muss aufgeholt werden“, sagte Dobrindt am Dienstag in Berlin. Der Nachfolger der bisherigen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht müsse das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr umgehend umsetzen. Pistorius trete eine herausfordernde Aufgabe an, zu dem ihm die CSU Erfolg wünsche.

CSU-Parteichef Markus Söder hat dem künftigen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Glück für seine Amtsführung gewünscht – obwohl er die Personalentscheidung kritisierte. „Ich wünsche dem neuen Verteidigungsminister Glück und Erfolg, es ist für unser Land wichtig“, sagte Söder am Dienstag am Rande der Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion in Kloster Banz bei Bad Staffelstein.

„Es ist viel Zeit verloren gegangen mit Frau Lambrecht und diese Zeit muss aufgeholt werden“, betonte er. Es gebe eine Menge Arbeit für das Ministerium, der nächste Nato-Gipfel stehe an. Pistorius sei aber „offenkundig nicht die erste Wahl“, sagte Söder. Mit der Wehrbeauftragten des Bundestages, Eva Högl, hätte eine Kennerin der Truppe zur Verfügung gestanden, erklärte der bayerische Ministerpräsident.

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