Nach dem Corona-Gipfel Zoff und Ernüchterung vor der „Osterruhe“

Berlin · Nach mehr als einem Jahr ist die Corona-Müdigkeit groß wie nie. Doch so hart die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin beim Marathon-Gipfel auch verhandeln – am Ende bleibt es bei viel Frust. Und vielen offenen Fragen.

 Das harte Ringen mit den Länderchefs um das weitere Vorgehen in der Corona-Krise hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sichtbar Kraft gekostet. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bezeichnete den Beschluss nach der zwölfstündigen Sitzung am Montag als „schwere Geburt“.

Das harte Ringen mit den Länderchefs um das weitere Vorgehen in der Corona-Krise hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sichtbar Kraft gekostet. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bezeichnete den Beschluss nach der zwölfstündigen Sitzung am Montag als „schwere Geburt“.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Am Morgen danach herrscht Ernüchterung. In ganz Deutschland rätseln Menschen, was der um drei Uhr morgens von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verkündete „Oster-Lockdown“ nun konkret bedeutet: Und was die fünftägige „Osterruhe“ im Kampf gegen die dritte Corona-Welle bedeutet. Sogar die Ministerpräsidenten, die den neuen Kurs mit Merkel in der 15-Stunden-Sitzung beschlossen haben, können nicht alle Fragen beantworten, etwa zu den beiden „Ruhetagen“ Gründonnerstag und Karsamstag. Derweil geben auch Bundespolitiker in Berlin hinter den Kulissen zu, dass der Beschluss noch viele Fragen offen lässt.

Rückblick in die Nacht: Tatsächlich ist der Plan für den Blitz-Lockdown vom 1. bis 5. April anders als bei den Konferenzen sonst üblich nicht tagelang vorbereitet worden. Vielmehr wird er aus der Not geboren, weil immer mehr Inhalte aus dem ursprünglichen Beschluss keine Mehrheit finden, die Schalte steht kurz vor dem Scheitern.

„Angesichts der ernsten Infektionsdynamik wollen Bund und Länder die Ostertage nutzen, um durch eine mehrtägige, sehr weitgehende Reduzierung aller Kontakte das exponentielle Wachstum der 3. Welle zu durchbrechen“, heißt es in dem am Ende gefundenen Kompromiss. Dafür sollen die Werktage am 1. und am 3. April zu „Ruhetagen“ werden, an denen etwa auch Unternehmen wie an Feiertagen geschlossen bleiben. Einzige Ausnahme: Lebensmittelgeschäfte dürfen am 3. April öffnen. Sogar Gottesdienste sollen nicht in Präsenz stattfinden.

Bis sich Bund und Länder einigen können, wird hin der Nacht hart gerungen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht danach von „außergewöhnlichen Entscheidungen“, betont aber: die Ruhetage würden die dritte Welle wohl auch nur „ein Stück weit überwinden“.

Es gehe darum, Zeit zu gewinnen, bis die Impfungen vorankommen, sagt Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), und auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärt, es sei nicht einfach nur die Verlängerung eines Lockdowns, vielmehr gehe es nun darum, „eine völlig neue Pandemie“ zu bekämpfen. Der Oster-Lockdown werde Geschwindigkeit aus der Pandemie nehmen, „das wird uns sehr sehr helfen“, damit dann nach Ostern bei entsprechenden Zahlen wieder über Lockerungen nachgedacht werden könne. Am Tag danach grübelt auch Söder, sagt: „Ich glaube, dass wir auch daran arbeiten müssen, unsere prozessualen Verfahren deutlich zu verbessern.“

Denn dass die „schwere Geburt“, wie Söder und Müller den Kompromiss bezeichnen, überhaupt noch von Erfolg gekrönt ist, ist lange nicht absehbar. Als fünf Ministerpräsidenten am Abend erklären, ihren Bürgern trotz der dritten Welle samt Virusvarianten „kontaktlosen Urlaub“ im eigenen Bundesland erlauben zu wollen, zieht Merkel ihre ganz persönliche Corona-Notbremse: Sollten Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz weiter darauf bestehen, werde sie den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz nicht mittragen.

Danach ist Pause. Für mehrere Stunden muss die Sitzung unterbrochen werden, in kleinen Runden geht es schrittweise vorwärts. Einen Abbruch kann sich niemand leisten. Am Ende ziehen die Länder zurück.

Auch das Argument der SPD-Seite, der „kontaktlose Urlaub“ sei wegen der vielen deutschen Touristen auf Mallorca gerechtfertigt, lässt Merkel nicht gelten. Sie sei auch nicht begeistert über die Reisen, aber dies sei eben auch keine Rechtfertigung für einen anderen falschen Schritt, macht sie deutlich. Zuvor hatte unter anderem Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) erläutert, dass es kaum möglich sei, die Reisen nach Mallorca zu stoppen. Um dennoch die Sicherheit zu steigern, wird eine Testpflicht für Rückkehrer beschlossen. Mitten in die unterbrochene Sitzung gibt es dann zwei Meldungen von der Insel, die auf Interesse stoßen: So sagen die deutschen Fluggesellschaften zu, Rückkehrer nun selbst auf Corona zu testen. Und auf der Insel sollen wegen wieder steigender Corona-Zahlen die erst vor kurzem geöffneten Innenräume der Gastronomie wieder schließen.

Der Zwist um die kontaktlosen Ferien ist aber bei weitem nicht der einzige Streitpunkt. Schon Stunden vorher hatten sich die Länder erfolgreich gegen einen Plan Merkels gestemmt, wonach über die Ostertage auch Verwandtenbesuche im größeren Rahmen möglich zu machen. Auch hier kommt das Argument, dies sei in der Pandemie ein falsches Signal – aber eben von den Ministerpräsidenten.

Schon die Bandbreite der diskutierten Maßnahmen zeigt, wie diffus die Infektionslage in diesen emotional aufgeladenen Wochen gesehen wird – diskutiert die Runde anfangs über Lockerungen an Ostern für größere Verwandtenbesuche, beschließt sie schließlich den Blitz-Lockdown. Mit dem neuen Kurs ohne Oster-Lockerungen und gegen den Tourismus gehen Bund und Länder durchaus ein Risiko ein, wenn auch weniger aus pandemischen Gründen. Stichwort Corona-Frust der Menschen.

Zur Erinnerung: Als vor Weihnachten wegen der steigenden Zahlen die Lockerungen bei den Kontakten über die Festtage kritisiert wurden, sagte Söder, es gehe um eine „Balance zwischen Empathie und Rationalität“. Damals gab es aber weder Schnell- noch Laientests.

Doch statt einer frohen Osterkunde setzen Bund und Länder nun auf eine andere Botschaft: Der Lockdown muss bis Mitte April verlängert werden, in Hotspots muss die Notbremse konsequenter angewandt werden.

In der Nacht noch betont Merkel, dass Bund und Länder, „aber vor allem auch alle Menschen in Deutschland – gemeinsam einen wirklich harten Weg gegangen“ seien, „einen Weg mit Erfolgen, aber auch mit Rückschlägen“. Ob sie die jüngste Sitzung selbst zu den Rückschlägen rechnet, wird wohl ihr Geheimnis bleiben.

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