23 .Regionalkonferenz in München Ab jetzt lenkt bei den Sozialdemokraten die Basis
München · Auf der 23. Regionalkonferenz ging die Suche der SPD nach einem Führungsduo weiter. Wie beim Auftakt in Saarbrücken gab es eine Überraschung.
Da braut sich ordentlich was zusammen im Münchner Löwenbräu-Keller. Der Saal ist prall gefüllt. Leidenschaft, Groko-Frust und Aufbruch mischen sich. Stuhl an Stuhl rücken sich knapp 1200 SPD-Mitglieder dem großen Finale entgegen. Einer von ihnen ist Peter Kaltenhauser, der sich für seine gebeutelte SPD sogar um 4.15 Uhr aus dem Bett quälte. Kaltenhauser, Ortsvorsteher im Landkreis Passau, ist mit 39 anderen Genossen aus Niederbayern angereist, hat sich fürs Wir-Gefühl auf eine Bus-Fahrt mit Umwegen begeben. Station für Station, damit niemand auf der Strecke bleibt. Im Grunde auch die Kernidee hinter der zäh-mühseligen SPD-Kandidatentour, die an diesem Wochenende in München zu Ende ging – und aus der noch immer kein klares Favoritenteam hervorgehen wollte. Immerhin Kaltenhauser weiß, was und wen er will: Nina Scheer und Karl Lauterbach. Die bayerischen Jusos: teils unentschlossen. Susanne Riedl bekennt, dass sie entgegen der Juso-Linie Olaf Scholz favorisiert. Lukas Butterworth ist für Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Der junge Mann rechnet fest mit einer Stichwahl zwischen „Eskabo“, wie sie das Duo kreativ abkürzen, und dem jungen Team Christina Kampmann/Michael Roth. 22 Regionalkonferenzen später ist das rote Spitzen-Tableau noch üppig. Auch nach fünf Wochen geballter Basisdemokratie, die am 4. September in Saarbrücken ihren Anfang nahm. Jetzt geht es in die Abstimmung. Als erste Partei in Deutschland lässt die SPD ihre Mitglieder vom 14. bis zum 25. Oktober online und per Briefwahl über ihr künftiges Vorsitzduo votieren. Zur Wahl stehen auch Ralf Stegner und Gesine Schwan, die wie üblich mit Chuzpe einheizen. Etwas ernster die Teams Boris Pistorius/Petra Köpping und Olaf Scholz/Klara Geywitz, Duo fünf und sechs.
Genau wie beim Auftakt in Saarbrücken gibt es auch zum Abschluss in München eine Überraschung. Die Kandidaten Dierk Hirschel und Hilde Mattheis ziehen sich zurück. Von ursprünglich 17 Bewerbern bleiben noch zwölf. „Es ist uns nicht gelungen, alle linken Paare auf einen Kurs zu bringen“, sagt eine sichtlich angeschlagene Hilde Mattheis. „Wir machen den Weg frei“, setzt Hirschel obendrauf. Womit die beiden nicht nur im Saal für Verstimmung sorgen: Die Wahlzettel sind nämlich längst gedruckt. Wer also ab diesem Montag Mattheis oder Hirschel ankreuzt, wählt ungültig. Eine der linken Alternativen: Lauterbach und Scheer. Selbstbewusst poltern beide gegen die große Koalition. Der Bräukeller schäumt, der Applaus ist heftig. Sie zerpflücken das Klimapaket. „Willy Brandt hätte so etwas nie mitgetragen.“ Raus aus der Groko, rein in eine links-grüne Zukunft. Auch NRW-Finanzminister Walter-Borjans und die Bundestagsabgeordnete Esken zeigen linke Flagge. Mit „Eskabo“ am Lenkrad ginge es „raus aus der neoliberalen Pampa“. Gegen die Groko? Nur Esken sagt offen Nein zum Weiterso. Walter-Borjans belässt es beim Appell, die SPD möge mit dem Koalitionspartner endlich „so kantig umgehen wie untereinander“.
Dann Bundesfinanzminister Scholz und die Landtagsabgeordnete Geywitz. Ja, sagt der schwarze-null-gebrandmarkte Mann, zum Sozialstaat gehöre auch eine Vermögenssteuer. Geywitz setzt auf Gleichstellungsthemen, wirkt wie schon zuvor etwas blass neben dem von vielen hochangesehenen Scholz. SPD-Vize Stegner und Politexpertin Schwan träumen von einer unabhängigen SPD mit globalem Profil. Eine klare Groko-Abfuhr erteilen sie nicht. Ex-NRW-Familienministerin Kampmann will einen modernen Sozialstaat statt Hartz IV. Als ehemalige Standesbeamtin wisse sie, wann man Ja sagen müsse. Staatsminister Roth sagt auch Ja. Vor allem zum SPD-internen Zusammenhalt. Zur Groko nur ein unausgesprochenes Jein. Boris Pistorius und Petra Köpping sind das „Ost-West-Team“. Der niedersächsische Innenminister warnt, der Aufstieg der AfD sei kein „laues Lüftchen von rechts“. Auch Sachsens Integrationsministerin blickt auf den Osten, wünscht sich „radikalen Realismus statt radikalem Linkskurs“. Thema Groko? Ausgeblendet. Wo der SPD-Bus nun hinsteuert? In jedem Fall Richtung Parteitag, der für Anfang Dezember angesetzt ist. Bis dahin wird sich zeigen, welchem Duo die 430 000 SPD-Mitglieder in Deutschland den Lenker überlassen werden.