Corona-Krise Milliarden-Hilfen im Schweinsgalopp

Berlin · In der Corona-Krise beschließt der Bundestag ein gigantisches Hilfspaket. Dafür setzt er die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse aus.

Unter massiven Infektionsschutzvorkehrungen hat der Bundestag am Mittwoch im Eilverfahren die zu Wochenbeginn beschlossenen Maßnahmen der Regierung zur Abmilderung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie verabschiedet. Wegen der dazu fälligen Neuverschuldung in Höhe von 156 Milliarden Euro wurde zugleich die Schuldenbremse in der Verfassung ausgesetzt. Alle Beschlussvorlagen fanden eine breite Mehrheit. In der Plenardebatte wurden aber auch parteipolitische Unterschiede deutlich.

Zum Auftakt der rund 90 Minuten langen Aussprache warb Vizekanzler Olaf Scholz noch einmal um Verständnis für die starke Einschränkung von Bürgerrechten. Sie diene dazu, die Ausbreitung der Seuche zu verlangsamen. Der SPD-Politiker vertrat Regierungschefin Angela Merkel (CDU), die wegen des Kontakts zu einem Infizierten selbst unter häuslicher Quarantäne steht. „Vor uns liegen harte Wochen. Wir können sie bewältigen, wenn wir solidarisch sind“, erklärte Scholz. Die geplante Nettokreditaufnahme, die mit einem Nachtragshaushalt verbunden ist, nannte er eine „gigantische Summe“. Deutschland könne sich das aber leisten, versicherte der Finanzminister. Das sahen im Prinzip auch alle weiteren Redner so. Allerdings wurde auch Kritik geübt. Nachfolgend die Positionen der Parteien:

Union: Fraktionschef Ralf Brinkhaus (CDU) stellte eine rasche Umsetzung der Hilfen in Aussicht. „Umsetzung ist jetzt das, was zählt.“ Zugleich dämpfte er mögliche Erwartungen auf einen vollen Ausgleich für erlittene Einbußen. Alle Menschen so zu stellen, als gebe es keine Corona-Krise, werde nicht funktionieren. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt machte klar, dass es sich bei der Abkehr von der Schuldenbremse um eine „Ausnahme“ handelt. Soll heißen: Nach der Krise gelten diese Spielregeln wieder.

SPD: Auf wechselseitige Sticheleien zwischen den Regierungsparteien wurde diesmal verzichtet. Auch von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der schon öfter gegen die Union ausgeteilt hat. „In einer Zeit, in der Abstand der beste Schutz ist, müssen wir zusammenstehen“, erklärte Mützenich. Und meinte damit wohl auch den Koalitionspartner. Der SPD-Politiker stellte vor allem die sozialen Maßnahmen zur Abfederung der Krise heraus. Zugleich appellierte er an Unternehmen, das Kurzarbeitergeld zusätzlich aufzustocken. Zu einer entsprechenden Verpflichtung für betroffene Unternehmen hatte sich die Bundesregierung allerdings nicht durchringen können.

AfD: Auch die größte Oppositionspartei war weitgehend auf Konsens mit der Groko gestimmt. Zusammenstehen sei jetzt erste Bürgerpflicht, meinte Fraktionschef Alexander Gauland. Zugleich drängte er die Regierung, die Einschränkungen für die Wirtschaft und die Bürger möglichst schnell wieder aufzuheben. Ein unbegrenzter Shutdown sei nicht durchzuhalten. Nach Gaulands Worten fehlt es der Regierung an einer Ausstiegsstrategie. Ein Entschließungsantrag der AfD sah deshalb vor, dass der Bundestag die Lage „in einem Monat“ neu bewerten könne und die Notsituation zunächst auf diesen Zeitraum befristet sei. Der Antrag fand jedoch keine Mehrheit. In Erwartung dieses Ergebnisses hatte die AfD schon vorher angekündigt, sich bei den Abstimmungen über die Regierungsvorlagen zu enthalten.

FDP: Auch Liberalen-Chef Christian Lindner pochte auf eine schnellstmögliche Rückkehr zu den Freiheitsrechten. Aktuell seien die Einschränkungen aber verhältnismäßig, betonte er. Überhaupt zeigte Lindner sich staatstragend: Alle Parteien hätten das Ziel, „Schaden vom deutschen Volk und der Bevölkerung abzuwenden“. Zudem stimmte Lindner in das allgemeine Lob für jene ein, die das Land jetzt am Laufen halten. Beschäftigte vom Krankenhaus bis zur Supermarktkasse würden nun die Anerkennung erfahren, die ihnen „auch in gewöhnlichen Zeiten zuteil hätte werden sollen“.

Linke und Grüne: Redner beider Parteien machten deutlich, dass ihnen die Hilfsmaßnahmen nicht weit genug gehen, man sie aber trotzdem mittragen werde. So forderte Linksfraktionschefin Amira Mohamed Ali, dass der Staat das Kurzarbeitergeld auf 90 Prozent des letzten Lohns aufstocken müsse. Nach geltendem Recht sind es 60 Prozent beziehungsweise 67 Prozent für Personen mit Kindern. Außerdem verlangte Mohamed Ali eine Anhebung der Grundsicherung um 200 Euro und eine Sonderabgabe für Multimillionäre. Ihre Amtskollegin von den Grünen, Katrin Göring-Eckardt, machte sich ebenfalls für eine Aufstockung des Regelsatzes bei Hartz IV stark. Obendrein forderte sie einen Bonus für das medizinische Personal. Der Schuldenbremse weinen Linke und Grüne keine Träne nach. Die Linkspartei hatte sie ohnehin stets abgelehnt.

Die Aussetzung der Schuldenbremse wurde am Nachmittag in namentlicher Abstimmung beschlossen. Dafür votierten 469 Abgeordnete. Es gab drei Gegenstimmen und 55 Enthaltungen. Ein paar Kilometer weiter hatte zwischenzeitlich der Bundesrat grünes Licht für den Nachtragshaushalt gegeben. Seine Sitzung dauerte wenige Minuten.

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