Bewerber für CDU-Vorsitz wittert Intrige hinter Verschiebung des Parteitags Friedrich Merz gibt jetzt das Verschwörungsopfer

Berlin · Der Kandidat für den CDU-Vorsitz will die Verschiebung der Entscheidung nicht hinnehmen und attackiert das „Partei-Establishment“.

Foto: Kay Nietfeld/dpa/Kay Nietfeld

Mit einer beispiellosen Medienoffensive hat Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Vorsitz, in den letzten beiden Tagen versucht, die Verschiebung des für den 4. Dezember geplanten CDU-Bundesparteitages in das nächste Jahr doch noch zu verhindern. Er verband den Aufruf zu einer Korrektur des Beschlusses des Parteivorstands vom Montag mit massiven Vorwürfen sowohl an seine Mitbewerber als auch an das „Partei-Establishment“.

Live-Auftritte in Morgenmagazin, Tagesthemen und Heute-Journal, dazu Twitter-Äußerungen und ein großes Interview in der Welt – der 64-jährige Sauerländer ließ praktisch kein wichtiges Medium aus, um seine Botschaft und seine Verärgerung rüberzubringen. Ein Teil seiner Argumente klang sachlich: Bis zur Bundestagswahl seien es nur noch elf Monate. Eine CDU, die ohne Angela Merkel antreten wolle, müsse sich jetzt neu aufstellen. Merz: „Uns läuft die Zeit davon“. Im nächsten Jahr sei die Corona-Lage erst einmal auch nicht besser, das Warten bringe also nichts. Außerdem habe er eine Alternative zu dem abgesagten Parteitag in Stuttgart vorgeschlagen: Ein digitales Treffen der 1001 Delegierten mit anschließender Briefwahl.

Hintergrund: Das Parteiengesetz lässt seit einer Reform Anfang Oktober zwar digitale Parteitage zu, aber immer noch keine digitale Abstimmung über Personalentscheidungen. Als weiteren Grund für eine schnelle Entscheidung nannte Merz, dass die Amtszeit des CDU-Vorstands mit dem Dezember ende und er dann nur noch als Notvorstand amtiere. Allerdings übersah Merz hier, dass nach der gleichen Gesetzesänderung Parteivorstände wegen Corona neuerdings weiter regulär amtieren können, bis Nachfolger gewählt sind. Alle diese Argumente waren am Sonntag in einer kleinen Führungsrunde zusammen mit den drei Kandidaten bereits abgewogen worden, ebenso dann am Montag im Parteipräsidium und Vorstand, wo Merz nicht Mitglied ist. Dort fiel die Entscheidung einstimmig, erst Mitte Dezember und dann wieder Mitte Januar über neue Terminmöglichkeiten zu beraten. Vordringliches Ziel ist laut Generalsekretär Paul Ziemiak weiterhin ein Präsenzparteitag, aber auch die digitale Variante scheint möglich.

Für Verstimmung sorgte in der CDU, dass Merz seine sachlichen Einwände mit einer Verschwörungstheorie verband: Die Verzögerung sei „der letzte Teil der Aktion ‚Merz verhindern‘“, sagte er der Welt. Diese Aktion laufe „mit der vollen Breitseite des Establishments hier in Berlin“. Dazu zählte Merz auch das Kanzleramt. Außerdem warf er seinem Mitbewerber, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, vor, hinter der Aktion zu stecken. „Ich habe eindeutige Hinweise darauf, dass Armin Laschet die Devise ausgegeben hat: Er brauche mehr Zeit, um seine Performance zu verbessern“, so Merz. Hingegen habe er selbst laut Umfragen bei den CDU-Mitgliedern doppelt so viel Zustimmung wie Laschet und der dritte Bewerber Norbert Röttgen zusammen, so Merz weiter.

Damit ist nun der „ruinöse Wettbewerb der Kandidaten“ eingetreten, vor dem die noch amtierende CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer im Sommer gewarnt hatte. Bei den Führungsleuten der Partei kamen Merz‘ Attacken nicht gut an. Fraktionschef Ralph Brinkhaus stellte den Kandidaten indirekt sogar auf ein Niveau mit einem Pennäler: „Das ist ja so, wie wenn man sich auf eine Prüfung vorbereitet. Und dann wird der Prüfungstermin verschoben. Dann ist man natürlich sauer“, sagte Brinkhaus. Jedoch müsse die Gesundheit vorgehen. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak mahnte ganz allgemein: „Die Lage in unserem Land ist schwierig. Damit sollte man sich mehr beschäftigen als mit der Lage der CDU.“

Gegen Merz‘ Idee, die Vorstandswahlen nach einem digitalen Treffen per Briefwahl zu absolvieren, führte der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz auf Twitter an, dass die Prozedur mehr als einen Monat dauern würde. Inklusive Stichwahlen und der Wahl von Stellvertretern und Beisitzern könnten es sogar bis zu 72 Tage sein. Das wäre dann auch nicht viel früher als nun offiziell geplant ist.

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