Vergessene Themen Maut, Brexit, Greta & Co. – verdrängt von Corona

Berlin · Über viele Themen wird in der Politik wegen der drängenden Virus-Krise nicht mehr gesprochen.

Was noch vor einigen Wochen viel diskutiert worden ist, da­rüber spricht heute keiner mehr. Die Corona-Krise hat das Land und die Politik fest im Griff. Doch die Themen sind nicht einfach verschwunden, sie liegen nur auf „Wiedervorlage“. Was national wie international weiterhin gelöst werden muss – ein Überblick.

Die CDU-Führungsfrage: Trotz ihres angekündigten Rückzugs führt Annegret Kramp-Karrenbauer die CDU munter weiter. Länger als geplant, denn der Sonderparteitag Ende April zur Wahl ihres Nachfolgers wurde wegen Corona abgesagt. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und der Außenpolitiker Norbert Röttgen lassen den Wahlkampf ruhen. Gut möglich, dass der neue Vorsitzende erst auf dem regulären Wahlparteitag der Christdemokraten vom 3. bis 5. Dezember in Stuttgart bestimmt wird.

Das Pkw-Maut-Debakel: Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kann durchatmen: Sein Stuhl wackelt nicht mehr, seit das Desaster um die Gebühr nur für Ausländer komplett vom Radar verschwunden ist. Ohne Corona wäre es vielleicht anders gekommen. Die Aufarbeitung der Pleite, die den Steuerzahler mindestens 500 Millionen Euro kosten wird, liegt auch im Bundestag erst einmal auf Eis. Doch ausgestanden ist das Thema nicht für Scheuer – schließlich pochen die Betreiber auf Schadensersatz.

Die Wahlrechtsreform: Nach jetzigem Stand ist die dringend notwendige Verkleinerung des Bundestages wegen der Corona-Krise wohl zu den Akten gelegt. Den Parteien kommt das zupass, denn eine Einigung auf einen gemeinsamen Vorschlag war nicht in Sicht. Die Bekämpfung des Virus kann nun als Ausrede dienen. Der nächste Bundestag dürfte daher deutlich mehr Abgeordnete haben. Jetzt sind es schon 709.

Die Umsetzung des Brexit: Der Ausstieg der Briten aus der Europäischen Union ist seit dem 31. Januar 2020 vollzogen – doch geklärt ist noch gar nichts. Ein No-Deal-Ausstieg ist nach wie vor möglich. Bis Ende des Jahres will der britische Premierminister Boris Johnson die künftigen Beziehungen Großbritanniens mit der EU regeln. Über den Stand der Verhandlungen ist so gut wie nichts bekannt. Johnson ist selbst am Coronavirus erkrankt. Theoretisch kann die Frist für eine Einigung um zwei Jahre verlängert werden, was der Brite aber immer abgelehnt hat.

Die Lösung des Iran-Konflikts: Dass nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani durch die USA unlängst ein neuer Golfkrieg drohte, spielt politisch derzeit keine Rolle mehr. Auch nicht die Frage, wie man das Atomabkommen mit Teheran neu beleben kann. Das Land ist ebenfalls vom Coronavirus schwer betroffen und hofft auf Lockerung der Sanktionen.

Die Klimakrise: Gibt es die überhaupt noch? „Fridays for Future“ darf wegen der Corona-Einschränkungen nicht mehr öffentlich protestieren, Aktivistin Greta Thunberg ist kaum mehr präsent. Seit das Virus die Welt im Griff hat, ist der Ausstoß des klimaschädlichen CO2 rapide gesunken. Deutschland könnte in diesem Jahr sogar seine Klimaziele einhalten. Die Luft in Städten hat sich zudem verbessert wegen des geringeren Verkehrs. Für Experten ist das aber nur ein „Einmaleffekt“.

London und die EU sind getrennt, doch wie es nach dem Brexit weitergeht, ist zurzeit kein Thema mehr. Der Kampf gegen das Virus ist drängender.

London und die EU sind getrennt, doch wie es nach dem Brexit weitergeht, ist zurzeit kein Thema mehr. Der Kampf gegen das Virus ist drängender.

Foto: dpa/Dominic Lipinski

Die offene Flüchtlingsfrage: Nach wie vor sind drei Millionen Syrer in der Region Idlib auf der Flucht. Auf griechischen Inseln sitzen Tausende in Lagern fest. Dass der türkische Präsident Erdogan Ende Februar das Drama verschärft hat, weil er Tausende an die türkisch-griechische Grenze ließ, ist fast schon vergessen. Und wollten Deutschland und andere europäische Staaten nicht rund 1500 schwer erkrankte Flüchtlingskinder und ihre Familien aufnehmen?

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