„Man darf die Bundeswehr nicht überfordern“

Saarbrücken/Berlin · Hellmut Königshaus trägt stets eine gelbe Schleife am Revers, und das nicht, weil er FDP-Mitglied ist. Als Wehrbeauftragter des Bundestages fühlt sich der 60jährige Berliner nicht den Interessen von Parteien verpflichtet, sondern nur denen der Soldaten. Mit Königshaus sprach unserer Korrespondent Werner Kolhoff.

Warum tragen Sie die gelbe Schleife?
Hellmut Königshaus: Das ist international das Zeichen der Solidarität mit den Soldaten. Ich trage es für unsere Frauen und Männer, die zum Beispiel in Afghanistan im Auftrag des Parlaments und damit im Auftrag der Gesellschaft ihren Kopf riskieren. Wir sind ihnen nicht nur zu Sympathie und Empathie verpflichtet, sondern auch dazu, ihnen alles zu geben, was sie für ihren Auftrag brauchen.

Und, haben die Soldaten das?
Hellmut Königshaus: Die Situation bei Fahrzeugen und Ausrüstung hat sich deutlich verbessert. Dennoch gibt es immer noch zum Teil gravierende Mängel. Fairerweise muss man allerdings auch sagen, dass sich der Einsatz verändert hat. Er begann als Aufbau-Mission, die die Soldaten nur absichern sollten. Über die Jahre ist der Einsatz in ein viel unfreundlicheres Umfeld gekommen.

Unfreundliches Umfeld ist eine sehr vornehme Umschreibung für Krieg.
Hellmut Königshaus: Ich scheue das Wort nicht. Wo scharf geschossen wird, wo Hinterhalte gelegt werden, wo es zu offenen Gefechten kommt, wird jeder Soldat von Krieg reden, egal wie der Völkerrechtler es nennt. Afghanistan ist faktisch Krieg.

Sie sind als Wehrbeauftragter schon drei Mal dort gewesen und fahren demnächst erneut hin. Welche Mängel haben sie festgestellt?
Hellmut Königshaus: Bis vor einem Jahr war die Truppe nicht gut ausgerüstet: Viel zu wenige geschützte Fahrzeuge, kaum Mittel, um sich zu wehren. Der Wendepunkt waren wohl die Angriffe im April vergangenen Jahres im Dorf Isa Khel und an der Dutch Bridge, wo bei schweren Gefechten insgesamt vier unserer Soldaten gefallen sind. Da war auch dem Letzten klar: Die Soldaten brauchen eine bessere, robustere Ausstattung. In diesem Bereich hat sich zum Glück einiges getan: Es gibt jetzt Panzerhaubitzen, Schützenpanzer und TOW-Raketen und wir haben deutlich mehr geschützte Fahrzeuge. Das Problem liegt jetzt woanders, nämlich bei der Ausbildung. Was nützt eine gute Ausstattung, wenn die Soldaten daran nicht geübt sind. Zum Beispiel müssen sich die Einheiten für die Vorausbildung Fahrzeuge vom Typ Dingo in der ganzen Republik zusammensuchen. Das Gerät ist so teilweise mehr auf der Autobahn als auf dem Übungsplatz. Ein anderes Problem sind Waffen oder Nachtsichtgeräte: Viele Soldaten haben solche Geräte erstmals im Einsatz in der Hand. Das darf nicht sein.

Wird Ihnen da nicht mulmig, wenn jetzt über einen weiteren Einsatz, nämlich in Libyen, nachgedacht wird?
Hellmut Königshaus: Wenn, dann ginge es dort ja um eine humanitäre Mission, die abgesichert werden muss. Dafür wären die gleichen Fähigkeiten gefragt, die schon in Afghanistan am meisten gefordert sind: Infanterie, Kampfmittelbeseitiger und Ähnliches. Diese Einheiten sind jetzt schon höchst belastet. Man muss aufpassen, dass man die Bundeswehr nicht überspannt und überfordert.

Karl-Theodor zu Guttenberg hat bei seinem Abschied unter Bezug auf die Bundeswehrreform gesagt, er habe ein bestelltes Haus hinterlassen. Stimmt das?
Hellmut Königshaus: Minister zu Guttenberg war knapp ein Jahr im Amt. Natürlich konnte er in diesem Jahr keine komplette Bundeswehrreform hinterlassen, das wäre zu viel verlangt. Die Quadratur des Kreises ist ohnehin schwierig.

Ist das die Bundeswehrreform für Sie?
Hellmut Königshaus:Wenn man die Bundeswehr grundlegend umbauen und gleichzeitig dadurch Geld sparen soll, kommt das der Quadratur des Kreises gleich.

Sie meinen, entweder Finanzminister Wolfgang Schäuble kann sich die 8,3 Milliarden Einsparung abschminken oder Thomas de Maizière sich die Reform?
Hellmut Königshaus: Nein, so kann man das nicht sagen. Aber üblicherweise kosten Reformen zunächst einmal Geld, bevor sie mittelfristig Einsparungen bringen. Was geplant ist, braucht eine Anschubfinanzierung. Zum Beispiel muss dringend militärisches Gerät erneuert werden, das ist an vielen Stellen veraltet. Minister De Maizière hat bei seinem Besuch im Gefechtsübungszentrum Wiedersehen mit einem Marder-Panzer feiern können, den er vor bald 40 Jahren als Rekrut gefahren hat.

Ohne zusätzliche Milliarden wird das nichts mit der Berufsarmee?
Hellmut Königshaus: Ohne zusätzliche Attraktivität geht es nicht. Die Bundeswehr muss künftig noch mehr als bisher auf dem Arbeitsmarkt mit zivilen Arbeitgebern konkurrieren. Und Attraktivität hat hier viele Facetten: Stellen Sie sich vor, man wirbt jetzt junge Leute und sagt, kommt zu uns, wir sind ein verlässlicher Arbeitgeber mit Super-Technik. Dann kommen die ersten und am nächsten Tag wird der Standort geschlossen. Das ist nicht attraktiv. Oder sie schrauben an Gerät herum, das älter ist als die städtische Straßenbahn. Von wegen attraktiv. So kann das nichts werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort