Fragen und Antworten zu Long-Covid Im gesundheitlichen Ausnahmezustand gefangen

Berlin · Nach mehr als drei Jahren Pandemie können viele Menschen ihren gewohnten Strukturen wieder nachgehen. Während sie ins Büro zurückkehren, Freunde treffen oder Sport treiben, sind diese Aktivitäten für Long-Covid-Erkrankte nach wie vor undenkbar.

Viele Menschen leiden nach einer Covid-Infektion unter anhaltender Müdigeit und Gedächtnisproblemen.

Viele Menschen leiden nach einer Covid-Infektion unter anhaltender Müdigeit und Gedächtnisproblemen.

Foto: obs/VioletaStoimenova

Für Long-Covid-Patienten bleibt Corona ein beherrschendes Thema. Die Wahrscheinlichkeit für gesundheitliche Beschwerden, die länger als drei Monate nach der Infektion anhalten, liegt dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge bei erwachsenen Männern um die fünf Prozent – für Frauen ist das Risiko etwa doppelt so hoch. Vor diesem Hintergrund fordert die Unionsfraktion einen Ausbau der Forschung und eine bessere Versorgung der Patienten. Doch wie wird ihnen aktuell geholfen? Und was ist über die Erkrankung bekannt? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Was ist Long-Covid?

Wer sich mit dem Coronavirus infiziert, kann infolge dessen auch an Long-Covid erkranken – ein Oberbegriff für die gesundheitlichen Langzeitfolgen. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung liegt diese Krankheit vor, wenn vier Wochen nach der Ansteckung noch Beschwerden bestehen oder neu auftreten. Betroffene klagen beispielsweise über anhaltende Schwäche, schnelle Erschöpfung oder Konzentrations- und Gedächtnisprobleme. Solche Beschwerden sind auch vom chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS) bekannt, das eng mit Long-Covid in Verbindung gebracht wird. Halten diese Symptome mehr als drei Monate an, sprechen Ärzte vom Post-Covid-Syndrom. Wie viele Menschen betroffen sind, oder was die Ursache ist, können Experten noch nicht sicher sagen. Einer Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK zufolge sind 71.651 der insgesamt 7,7 Millionen durchgehend erwerbstätigen AOK-Versicherten zwischen 2020 und 2022 von einer Post-Covid-19-Erkrankung betroffen gewesen.

Wie ist der Forschungsstand?

„Die Bundesregierung nimmt die Anliegen von ME/CFS-Erkrankten sehr ernst“, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. In Zusammenarbeit mit dem Forschungsministerium würden die Versorgung von Betroffenen und die Erforschung der Krankheit vorangetrieben. Wie notwendig diese Aufgabe ist, zeigt ein Bericht des unabhängigen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: Demnach ist die Forschungslage zur Behandlung von ME/CFS schwach und die Erkrankung insgesamt noch wenig verstanden.

Dabei gebe es seit 2021 gezielte Fördermaßnahmen zur Erforschung der Krankheit, wie die für die Entwicklung neuer interaktiver Technologien zur Diagnose. „Für die Erforschung der Krankheitsmechanismen und neuer gezielter Behandlungsmöglichkeiten nutzen wir die gesamte Bandbreite der deutschen Forschungslandschaft“, betonte Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Im Rahmen der Projektförderung seien bisher 22,5 Millionen Euro für die gezielte Erforschung von Long- und Post-Covid bereitgestellt worden. „Diese Forschungsförderung soll die Krankheitsmechanismen identifizieren und Behandlungsoptionen aufzeigen sowie die Versorgung verbessern“, erklärte die Ministerin.

Wo besteht Handlungsbedarf?

„Die bedarfsgerechte Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Long- und Post-Covid zu erforschen und sicherzustellen, sehe ich aktuell als wichtigstes politisches Anliegen“, sagte der Patientenbeauftragte Stefan Schwartze (SPD). Für den Aufbau eines deutschlandweiten Netzwerks von Kompetenzzentren und Ambulanzen, wie es die Ampel-Fraktionen im Koalitionsvertrag beschrieben haben, brauche es die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen. Bislang entschieden nämlich die Kliniken über die Einrichtung und den Betrieb von Spezialambulanzen. „Nur mit einem engmaschigen Netzwerk können wir den Informationsaustausch unter bestehenden Einrichtungen beschleunigen, den tatsächlichen Versorgungsbedarf der Betroffenen konkretisieren und so die Versorgung der Betroffenen schnell und bundesweit auf den wirksamsten Stand bringen“, so der Patientenbeauftragte. Auch wirtschaftlich ist Handlungsbedarf gefragt, denn der langfristige Ausfall der Patienten ist teuer. Die Konsequenzen für die soziale Absicherung, die Wirtschaft sowie den Arbeitsmarkt seien „bedrohlich“, sagte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Katrin Göring-Eckardt (Grüne).

Was fordert die Politik?

In der vergangenen Woche debattierte der Bundestag über einen Antrag der Unionsfraktion. Diese hatte gefordert, eine „nationale PostCOVID-TaskForce“ zur Versorgung, Datenerfassung und Therapieentwicklung einzurichten. Die Grünen-Abgeordnete Linda Heitmann kritisierte, der Antrag würde „falsche Hoffnungen und Erwartungen“ schüren, dass die Politik „ganz schnell Heilung bringen könnte“. Es sei wichtig, konkrete Projekte statt „Schaufensterpolitiik“ zu betreiben. „Die Betroffenen brauchen Anlaufstellen. Sie brauchen wirklich gute, passende medizinische Versorgung – und zwar als Kassenleistung.“ Auf Anfrage unserer Redaktion sagte Heitmann, sie erwarte, dass Parlament und Regierung sich weiterhin regelmäßig mit dem Problem auseinandersetzen und Öffentlichkeit schaffen. „Es braucht kontinuierlich Geld für seriöse Forschung – auch aus der Pharmaindustrie.“

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