Corona-Pandemie Leopoldina fordert drastische Verschärfung der Corona-Maßnahmen

Berlin · Seit Anfang November gelten wieder zahlreiche Beschränkungen im Kampf gegen Corona - doch die erhoffte Entspannung der Lage bleibt bisher aus. Wissenschaftler empfehlen jetzt einen massiveren Einschnitt.

Leopoldina fordert drastische Verschärfung der Corona-Maßnahmen
Foto: dpa/Oliver Berg

Angesichts anhaltend hoher Infektionszahlen fordert die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina eine drastische Verschärfung der Corona-Beschränkungen bereits ab kommender Woche. Die Feiertage und der Jahreswechsel sollten für einen „harten Lockdown“ genutzt werden, um die deutlich zu hohen Neuinfektionen schnell zu verringern, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme. In einem ersten Schritt sollte die Schulpflicht ab kommendem Montag (14. Dezember) bis zu den Weihnachtsferien aufgehoben werden. Ab 24. Dezember bis mindestens 10. Januar sollte dann „in ganz Deutschland das öffentliche Leben weitgehend ruhen“.

In einem solchen „harten Lockdown“ sollten alle Geschäfte bis auf die des täglichen Bedarfs mit Lebensmitteln, Medikamenten und anderen notwendigen Waren schließen. Homeoffice müsse, wo möglich, die Regel sein. Soziale Kontakte seien auf einen sehr eng begrenzten Kreis zu reduzieren. Die Weihnachtsferien in Bildungseinrichtungen und ein eingeschränkter Betrieb in Firmen und Behörden böten nun die Chance, in der Pandemie-Eindämmung ein großes Stück voranzukommen. Zwar erhöhten sich so kurzfristig Wertschöpfungsverluste. „Aber zugleich verkürzt sich der Zeitraum, bis die Neuinfektionen so weit gesunken sind, dass Lockerungen möglich sind“, erläutern die Wissenschaftler.

Trotz der Schließung zahlreicher Einrichtungen in einem Teil-Lockdown seit Anfang November bleiben die Zahlen auf hohem Niveau, in den letzten Tagen auch wieder mit eher steigender Tendenz. Die Gesundheitsämter meldeten 14 054 neue Fälle binnen 24 Stunden, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Dienstagmorgen bekanntgab. Am vorigen Dienstag waren es 13 604, den bisher höchsten Tageswert gab es am 20. November mit 23 648. Binnen eines Tages wurden nun 423 Todesfälle in Zusammenhang mit dem Virus gemeldet - eine Woche zuvor waren es 388 gewesen.

Beim Infektionsgeschehen gibt es in den Ländern jedoch weiter große Unterschiede. Mit 319 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen hat Sachsen mit Abstand den höchsten Wert, gefolgt von Thüringen (183) und Bayern (177). Die niedrigsten Werte haben demnach Mecklenburg-Vorpommern (52), Schleswig-Holstein (54) und Niedersachsen (76). Für ganz Deutschland gab das RKI nun einen neuen Höchstwert von 147 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen an. Zu Beginn des Teil-Lockdowns waren es um die 120 gewesen. Bund und Länder wollen erreichen, dass es weniger als 50 werden - so sollen Gesundheitsämter Infektionsketten wieder nachverfolgen können.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Montag in einer Videositzung der Unionsfraktion nach Teilnehmerangaben betont, man komme mit den bisherigen Maßnahmen nicht von den hohen Infektionszahlen herunter. Bund und Länder hatten zuletzt beschlossen, den Teil-Lockdown bis 10. Januar zu verlängern - mit zwischenzeitlich möglicher Lockerung von Kontaktbeschränkungen vom 23. Dezember bis 1. Januar. Ob Merkel und die Misterpräsidenten vor Weihnachten noch einmal direkt über die Lage und mögliche neue Maßnahmen beraten, ist unklar. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) rechnet damit noch für diese Woche, wie er dem RBB-Inforadio sagte. Bisher ist das nächste Gespräch in diesem Rahmen für den 4. Januar geplant.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bekräftigte in der „Rheinischen Post“ (Dienstag): „Wir sollten die Schulen vier Wochen in die Weihnachtsferien schicken, das heißt idealerweise schon innerhalb der nächsten Woche und dann bis einschließlich der ersten Januarwoche.“ Zudem sollte der Einzelhandel nach Weihnachten für zwei Wochen schließen. „Wir sollten diese Maßnahmen noch in dieser Woche beschließen, die Zahl der Infektionen ist einfach zu hoch.“

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann pocht auf drastischere Einschränkungen. So könne man nicht weitermachen, „ein scharfer Lockdown nach den Weihnachtstagen rückt näher“, sagte der Grünen-Politiker bei einer Kabinettssitzung, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Woidke hingegen sagte weiter: „Mir fehlt momentan keine Möglichkeit, die ich brauche von der Bundesregierung, um weiter agieren zu können.“ Den Ruf nach neuen bundesweiten Regeln in der Corona-Krise halte er für nicht „ganz nachvollziehbar“.

Die Leopoldina empfiehlt mit Blick auf einen Wiederbeginn der Schulen ab dem 10. Januar, für alle Jahrgangsstufen Mund-Nasen-Schutz im Unterricht verpflichtend zu machen. Zudem sollten ländereinheitliche Regeln für Wechselunterricht - also mit Präsenz in der Klasse und digital - in weiterführenden Schulen entwickelt werden, die ab einem bestimmten Infektionswert greifen sollten. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Stefanie Hubig aus Rheinland-Pfalz, sieht Schulschließungen in großem Umfang weiterhin grundsätzlich skeptisch. Zuerst müsse darüber diskutiert werden, wie man sich über Weihnachten und Silvester verhalte. Es sollte „nicht wieder als erstes“ daran gedacht werden, Schülerinnen und Schüler möglichst zu Hause zu lassen, sagte die SPD-Politikerin auf Anfrage.

(dpa)
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