Debatte um strengere Corona-Maßnahmen Merkel will „ungeduldig“ bleiben

Berlin · Nach den Beratungen mit den Ländern über schärfere Corona-Regeln wird die Kanzlerin kritisiert – sie selbst hegt keine Zweifel.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU, Mitte), Michael Müller (SPD, links), Regierender Bürgermeister von Berlin, und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) informierten am Montagabend nach einer Videokonferenz mit den Ministerpräsidenten über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU, Mitte), Michael Müller (SPD, links), Regierender Bürgermeister von Berlin, und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) informierten am Montagabend nach einer Videokonferenz mit den Ministerpräsidenten über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise.

Foto: dpa/Odd Andersen

Die sechsstündigen Verhandlungen mit heftigem Streit zwischen ihr und einigen Ministerpräsidenten waren Angela Merkel (CDU) auch noch Dienstagfrüh anzumerken. Augenringe, müder Blick, anfänglich eine belegte Stimme. So erlebte man die Kanzlerin bei einer Videoschalte anlässlich des Wirtschaftsgipfels der Süddeutschen Zeitung. Zweifel an ihrem Vorgehen während der Corona-Beratungen mit den Ländern wollte sie aber nicht aufkommen lassen. Im Gegenteil.

Ob es für sie nicht „völlig frustrierend“ sei, wurde Merkel gefragt, dass sie die Ministerpräsidenten erfolglos um weitere Einschränkungen bitte und sich Wochen später dann zeige, wie notwendig die Entscheidungen doch gewesen wären? Erst sang Merkel ein hohes Lied auf den Föderalismus, wie immer, um sodann einzugestehen: „Dass es manchmal etwas zu langsam geht, bedauere ich.“

Fakt ist, die wichtigsten Pläne aus dem Kanzleramt zur Verschärfung der Corona-Maßnahmen wurden bei den Beratungen am Montag abgeschmettert, beispielsweise zu Maskenpflicht und getrennten Klassen in Schulen, zum Treffen von Kindern mit Freunden, zu noch weitreichenderen Kontaktsperren für alle. Merkels Vorgaben aus der Feder ihres Kanzleramtschefs Helge Braun (CDU) formulierten die Länderchefs zu schnöden Appellen um. Warum? Erst kurz vor den Beratungen hatte die Regierungszentrale ihre nicht abgestimmten Pläne den Ländern geschickt und offenbar auch an die Öffentlichkeit lanciert. Viele Landesfürsten waren darüber extrem sauer, denn eigentlich hatte man nur eine Zwischenbilanz der bisherigen Beschränkungen ziehen wollen anstatt über weitere Verschärfungen zu befinden. Durch das Vorgehen des Kanzleramtes entstand mal wieder der Eindruck eines großen Durcheinanders, am Ende verursacht durch bockige Länder. Bei der Videokonferenz entlud sich daraufhin der Ärger.

Die wachsweichen Ergebnisse werden nun allenthalben als Niederlage Merkels angesehen. „Das war kein guter Tag für die Kanzlerin“, kommentierte FDP-Vize Wolfgang Kubicki. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter schimpfte, durch die schlecht vorbereiteten Beratungen sei „wieder Chaos verbreitet“ worden. Auch der Koalitionspartner SPD nannte das Vorgehen „suboptimal“. Auf der anderen Seite kursierte im politischen Berlin die Theorie, dass die Debatte über zusätzliche Verschärfungen die Bevölkerung einmal mehr sensibilisiert und dies Einfluss auf das Verhalten der Menschen habe. Vielleicht sei das Merkels Absicht gewesen. Allerdings um den Preis vergrämter Ministerpräsidenten, was die weitere Kooperation im Anti-Corona-Kampf nicht gerade erleichtern dürfte. Außerdem, so hieß es, habe die Kanzlerin die Bürger bereits darauf vorbereitet, was nach den Beratungen am 25. November auf sie zukommen könnte: Neue Vorschriften und neue Dekrete. Dann jedoch vor allem erarbeitet von den Ländern. Sicher ist sicher.

Es werde nicht so sein, meinte CSU-Landegruppenchef Alexander Dobrindt am Dienstag vor Journalisten, dass sich die Runde in einer Woche erneut „mit Fragzeichen“ gegenübersitze. Bis zu den Beratungen müssten Lösungen gefunden werden, forderte Dobrindt. Auch mit Blick auf abgestimmte Maßnahmen in den Schulen. Ansonsten werde man nach Ansicht von Experten bis Weihnachten eine Senkung der Infektionen auf 50 pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen nicht erreichen. Bayern steht jedenfalls schon mal fest an Merkels Seite, wenn es um neue Verschärfungen geht. Andere Länder sind da etwas zurückhaltender.

Warum sich die Ministerpräsidenten bei der Corona-Bekämpfung eigentlich schwerer täten als sie, lautete bei der Videoveranstaltung der Süddeutschen eine weitere Frage an Merkel. Es sei halt nicht immer einfach, den Menschen Einschränkungen mitzuteilen, antwortete sie salomonisch. Schließlich stellte sie noch klar: „Ich werde weiter der ungeduldige Teil in dieser Sache sein.“ Drohung oder Versprechen?

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