Kommentar Die Not bleibt

Es ist unmöglich, die jährlichen Statistiken der EU-Asylbehörde emotionslos zu lesen. Zu leicht könnte man die Daten, die einen deutlichen Rückgang der Asylanträge in der EU beschreiben, für ein Indiz halten, dass es weniger Hilfesuchende gibt.

 Format: jpg KK-Detlef Drewes

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Foto: Lorenz

Das stimmt nicht. Europa war vor allem darin erfolgreich, Schutzbedürftige abzuweisen, zurückzuschicken oder gar nicht erst an Land zu lassen.

Nach Angaben der Vereinten Nationen waren 2018 etwas mehr als 70 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Inzwischen bekommen das auch die Europäer zu spüren. Menschen aus Süd- und Mittelamerika stehen vor unseren Grenzen – vertrieben, verfolgt, mit dem Tod bedroht. In der EU leben über 500 Millionen Menschen. Ist es wirklich ein Problem, rund 664 000 Hilfsbedürftige aufzunehmen und ihnen Schutz zu gewähren? Nein, das mag eine Herausforderung sein, ein Problem wäre es nicht. Zumindest dann nicht, wenn alle 28 (oder demnächst 27) Mitgliedstaaten ihren Teil der Verantwortung übernähmen. Man muss nicht einmal die starke Wirtschaftsnation Deutschland als Beispiel nehmen. Aber schämen sich Polen, Ungarn oder die Slowakei nicht, wenn Zypern und Malta solidarisch sind und pro Kopf mehr Asylbewerber akzeptieren als jedes andere europäische Land?

Die EU pocht in ökonomischer Hinsicht nur allzu gerne auf ihre Führungsrolle in der Welt. Sie sollte diese Vorbildfunktion endlich auch menschlich gesehen wahrnehmen. Ein solidarisches Asylsystem, der Kampf gegen Fluchtursachen – all das muss in den nächsten Jahren verwirklicht werden.

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