Vor dem Koalitionsausschuss am Sonntagabend Zuversicht trotz verhärteter Fronten

Berlin · Die Spannungen in der Ampel-Koalition sind längst nicht mehr nur zwischen den Zeilen erkennbar. Sozialdemokraten, Grüne und Liberale posaunen sie täglich öffentlich heraus, streiten auf offener Bühne.

Anfang März in Meseburg noch guter Stimmung: Kanzler Olaf Scholz (SPD, Mitte), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne, links) und Vize-Vize-Kanzler Christian Lindner (FDP).

Anfang März in Meseburg noch guter Stimmung: Kanzler Olaf Scholz (SPD, Mitte), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne, links) und Vize-Vize-Kanzler Christian Lindner (FDP).

Foto: AP/Michael Sohn

An diesem Sonntagabend wollen sich die Ampel-Parteien wieder annähern. Es soll Fortschritte in Streitfragen geben, womöglich sogar Lösungen nach dem wochenlangen Zoff.

Wie es vorab aus Koalitionskreisen hieß, soll es vor allem um die Planungsbeschleunigung im Infrastrukturbereich – also insbesondere im Verkehr – sowie um den Klimaschutz gehen. Keine größere Rolle soll hingegen der Bundeshaushalt spielen, da hier Anspruch und Wirklichkeit bei den erwünschten Ausgaben noch zu weit auseinander liegen. Bevor sich am Sonntagabend der Koalitionsausschuss trifft, dem die Vorsitzenden der drei Parteien, die Fraktionsspitzen und Spitzen der Regierung um Kanzler Olaf Scholz (SPD) angehören, sind vor allem Appelle zu hören.

So rief Grünen-Chef Omid Nouripour die drei Ampel-Parteien zur Kompromissbereitschaft und Einigkeit auf. „Ob milliardenschwere Entlastungspakete oder Unabhängigkeit von russischen fossilen Energien — wir haben in der Ampel stets gemeinsame Lösungen zum Wohle des Landes gefunden“, sagte Nouripour unserer Redaktion. „Und ich bin zuversichtlich, dass wir uns auch in den aktuellen Fragen einig werden. Die Menschen erwarten zu Recht, dass wir die Knoten bald durchschlagen“, sagte der Grünen-Vorsitzende. „Wir wollen gemeinsam die Weichen für den Weg in die Klimaneutralität und in die Digitalisierung stellen, um den Wohlstand Deutschlands auch in Zukunft zu sichern“, sagte Nouripour.

SPD-Fraktionschef Mützenich zeigte sich ebenfalls unglücklich über den öffentlichen Streit. „Selbstdarstellung hilft niemandem“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „Die SPD beteiligt sich an den sachlichen Diskussionen vor allem hinter den Kulissen, um Probleme aufzulösen.“

Bei einem dieser Konflikte könnte sich nun ein Kompromiss abzeichnen, wie das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ meldete. Demnach wird im Ringen um den Austausch alter Öl- und Gasheizungen über eine Abwrackprämie diskutiert. Aufgeschlossen äußerte sich dazu am Freitag in Berlin eine Sprecherin des Bundesbauministeriums von Klara Geywitz (SPD). Umweltverbände drangen darauf, das für ein Erreichen der Klimaziele notwendige Umsteuern im Gebäudebereich endlich voranzutreiben. Eine Abwrackprämie für alte Heizkessel könnte aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden, in den Erlöse des Staates unter anderem aus dem CO2-Emissionshandel fließen. Davon sollten vor allem Haushalte mit geringeren oder mittleren Einkommen profitieren. Für Wohnungs- und Hausbesitzende vor allem mit höheren Einkommen seien günstige Kredite für die Anschaffung einer Wärmepumpe vorgesehen.

Erleichterungen soll es laut „Spiegel“ auch für Mieterinnen und Mieter geben, die vom Austausch der Heizung in ihrem Haus betroffen sind. Gehe die Heizung kaputt, könne der Wohnungsbesitzer diese Kosten nur zu einem geringeren Teil per Modernisierungsumlage auf die Mieter umwälzen, hieß es unter Berufung auf Angaben aus Regierungskreisen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte zu einer möglichen Abwrackprämie allerdings, ein solcher Vorschlag „wäre mir neu“. Ein Sprecher von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, dieser Begriff sei „nicht von unserem Haus in die Diskussion gebracht worden“.

Die FDP lehnt die von Habeck geplanten Vorgabe ab, wonach neue Heizungen ab 2024 zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssten: Dies würde de facro das Aus für neue Öl- und Gasheizungen bedeuten. Auch hier gab es im Vorfeld des Koalitionstreffens jedoch Bewegung. So könnten in Neubauten auch solche Heizungen zugelassen werden, die mit Biomethan oder grünem Wasserstoff betrieben werden, hieß es.

Seit Monaten streitet die Koalition zudem darüber, ob nur Bahnstrecken und Brücken schneller gebaut werden sollen oder auch Autobahnen. Letzteres will die FDP mit Blick auf den künftig deutlich wachsenden Güterverkehr. Die Grünen lehnen einen schnelleren Ausbau von Autobahnen aber kategorisch ab.

Als Kompromiss denkbar ist eine Einigung auf ausgewählte Projekte, die bevorzugt behandelt werden sollen — etwa Strecken, die schon jetzt so überlastet sind, dass es ständig Stau gibt. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat eine Liste mit 144 dieser Engpass-Projekte vorgelegt. Die SPD schlägt dem Vernehmen nach nun vor, diese Liste noch einmal zu kürzen auf die Projekte mit dem größten Kosten-Nutzen-Faktor.

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