Nach Regierungswechsel Maas droht nach Afghanistan-Debakel das Aus als Außenminister

Heiko Maas ist nach dem Afghanistan-Desaster in die Kritik geraten. Selbst bei günstigem Wahlausgang für die SPD dürfte er kaum Außenminister bleiben. Irgendwie will er jetzt einen guten Abgang

Außenminister Heiko Maas kommt von einem Gesprächstermin bei den Vereinten Nationen in New York

Außenminister Heiko Maas kommt von einem Gesprächstermin bei den Vereinten Nationen in New York

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Heiko Maas ist wieder mitten drin – in der Welt der Krisen und Konflikte. East River, New York, Sitz der Vereinten Nationen. Die Woche der UN-Generaldebatte Ende September ist im Terminkalender eines deutschen Außenministers fest gebucht. Nur sind dieses Mal, bei dieser 76. Generaldebatte in der Geschichte der Vereinten Nationen, viele Dinge anders -- auch für Maas. Die Pandemie gibt weiter den Rahmen vor – selbst Redner wie Chinas Staatspräsident Xi Jinping werden nur per Video eingespielt, manche Formate sind hybrid.

Afghanistan lässt ihn aber auch in New York nicht los. Maas muss einiges reparieren – auch in eigener Sache. Zuletzt war er dazu Ende August auf einer Tour durch Nachbarstaaten von Afghanistan, um schnelle Hilfe für afghanische Ortskräfte zu organisieren: Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan. Der deutsche Außenminister muss seit der Eroberung von Kabul durch die radikal-islamischen Taliban mit der Kritik leben, das Tempo des Vormarsches der Religionskrieger nicht zeitig genug erkannt zu haben. Eine dramatische Fehleinschätzung, die der SPD-Politiker noch im Juni im Bundestag auch noch fürs Protokoll festhalten ließ: „Dass in wenigen Wochen die Taliban das Zepter in Afghanistan in der Hand haben werden, das ist nicht die Grundlagen meiner Annahmen“, sagte er. Da hilft auch nur bedingt, dass sich weitere Kabinettsmitglieder wie Annegret Kramp-Karrenbauer (Verteidigung), Horst Seehofer (Innen), Gerd Müller (Entwicklung) bis hoch zu Bundeskanzlerin Angela Merkel und Vize-Kanzler Olaf Scholz ebenso verschätzt haben. In New York sagt er bei einer Veranstaltung im Rahmenprogramm, nach einem Monat Taliban-Herrschaft drohe die Gefahr, dass Mädchen und Frauen ihre Bewegungsfreiheit, ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und den Zugang zu Bildung und Arbeit verlören. Deutschland habe „eine Plattform eingerichtet, über die besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen nach Deutschland kommen können“. Maas weiß um die eigenen Fehler. Aber er will nun für ein gutes Ende sorgen. Außen ist er Minister, innen steht er unter Druck.

Der Außenminister pflügt das Feld der Krisen und Kriege am UN-Hauptquartier und bei einigen Nebenveranstaltungen im Deutschen Haus, einmal quer über die Straße. Neben Afghanistan ist Libyen ein Thema, mit dem Maas im Januar 2020 richtig gepunktet hat. Damals war es ihm nach monatelanger Vorbereitung gemeinsam mit Merkel gelungen, eine internationale Libyen-Konferenz nach Berlin zu holen. Auch das Atomabkommen mit Iran, das Teheran vom Bau von Atomwaffen abhalten soll, könnte in New York wieder zu neuem Leben erweckt, müsste dazu allerdings erst einmal gerettet werden. Und schließlich gibt es Ärger zwischen den USA und Frankreich wegen eines U-Boot-Deals, bei dem die Weltmacht gemeinsam mit Großbritannien und Australien den Nato-Partner Frankreich kühl ausbootete. Im Transatlantiker Maas kam da der Europäer durch, als er in New York die neue US-Allianz „irritierend“ und „ernüchternd“ bezeichnete.

Maas‘ Vorgänger im Außenamt, sein Parteifreund Sigmar Gabriel, sagte einmal bei einem gemeinsamen Frühstück mit dem russischen Langzeit-Außenminister Sergej Lawrow am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz: „Er (Lawrow) ist 13 Jahre, bald 14 Jahre im Amt. Ich bin nicht sicher, dass ich 14 Monate schaffe.“ Gabriel war den Posten des Außenministers im Streit mit der SPD-Führung dann auch los. Der damalige SPD-Chef Martin Schulz stellte Gabriel vor vollendete Tatsachen, als er selbst den Anspruch auf den prestigeträchtigen Posten erhob. Doch auch Schulz sollte sich verzocken. Schließlich kam Maas, bis dato Justizminister mit kaum außenpolitischer Expertise, gewissermaßen auf der Außenbahn auf den Posten des deutschen Chef-Diplomaten. Maas ist mittlerweile 42 Monate deutscher Außenminister. Und nun? Es könnte sein, dass er sein Amt auch wieder auf der Außenbahn verlässt. Kaum Höhen, keine Tiefen, bis Afghanistan kam. Maas sagte in der Folge, er werde nach der Wahl Konsequenzen ziehen, was immer das bedeuten mag. Interessanterweise hat SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz es bislang vermieden, sich hinter Maas zu stellen. „Wie die nächste Regierung gebildet wird, das entscheidet sich nach Wahl“, wich der SPD-Kanzlerkandidat der Frage aus, ob Maas in einer nächsten Regierung, sollte Scholz dann Bundeskanzler sein, wieder Außenminister werde.

Wenn Maas am Freitagmorgen wieder in Berlin gelandet ist, sind es noch rund 60 Stunden bis die Wahllokale in Deutschland schließen. In New York will am selben Tag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner überparteilichen Rolle für Deutschland in der UN-Generaldebatte sprechen. Steinmeier kennt das Geschäft. Er war gleich zwei Mal Außenminister. Er weiß, wie man in dieses Amt rein-, wieder raus und tatsächlich noch einmal reinkommt. Aber das ist selbst diplomatisch eine Ausnahme.  

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