Neue Schutzpläne der EU Katastrophengefahren in Europa haben sich verfünffacht

Brüssel · Schon vor dem verheerenden Beben vom Montag war die EU entschlossen, beim grenzüberschreitenden Katastrophenschutz nachzubessern. Unter dem Eindruck bedrückender Bilder brachte die Kommission nun neue Leitinitiativen auf den Weg. Denn die Risiken steigen auch außerhalb des türkisch-syrischen Grenzgebietes.

Französische Rettungskräfte am Mittwoch im türkisch-syrischen Erdbebengebiet.

Französische Rettungskräfte am Mittwoch im türkisch-syrischen Erdbebengebiet.

Foto: dpa/Uncredited

Das Zusammentreffen hätte kaum bedrückender sein können. Als EU-Krisenkommissar Janez Lenarcic am Mittwoch in Brüssel wie seit längerem geplant die Sensibilisierung der Menschen für die zunehmende Bedrohung durch Katastrophen stärken wollte, schnellten die erschreckenden Zahlen der Erdbebentoten im türkisch-syrischen Grenzgebiet gerade auf über 11.000. Die Dimensionen dieser Katastrophe seien „erschrecken“. Zugleich aber könnten die Menschen gerade „in Echtzeit“ verfolgen, wie der vor über zwei Jahrzehnten ins Leben gerufene Katastrophenschutz-Mechanismus der EU funktioniere. Über Nacht seien 1500 Retter und Mediziner mit hundert Spürhunden aus 20 Mitgliedsstaaten ins Katastrophengebiet entsandt worden. „Das ist echte EU-Solidarität“, sagte der Kommissar.

Die 1500 Kräfte sind nur der Anfang. Denn es werden mit jedem neuen in Brüssel eingehenden Hilfeersuchen mehr Einsätze. Nach der Suche nach Verschütteten und deren Erstversorgung gehe es nun um Unterkünfte, Zelte, Decken, Heizgeräte. „Auch diese Unterstützung wird auf den Weg gebracht“, versicherte Lenarcic. Eine lange Liste sei auch aus Syrien in Brüssel eingegangen. Er ermutige die Mitgliedsländer, auch auf diese Anfragen nach Medizin, Lebensmitteln und medizinischer Ausstattung zu reagieren. Die Kommission sei unter anderem bemüht, die finanzielle Situation der Partnerorganisationen in Syrien zu verbessern, mit denen sie auch in diesem schwer zugänglichen Gebiet seit Jahren zusammenarbeite.

Das verheerendste Beben in der Region seit vielen hundert Jahren trifft nach den Worten des Kommissars auf eine „Risikolandschaft, die sich schnell verändert“. Jedes Mal, wenn eine Katastrophe die Kapazitäten des jeweils betroffenen Landes übersteigen, werde das grenzüberschreitende Hilfsverfahren aktiviert. „Dieses wird im Moment pro Jahr fünf mal so oft in Gang gesetzt, wie im Durchschnitt der letzten 20 Jahre“, teilte Lenarcic mit. Pandemie und Krieg steckten dahinter, aber auch „klassische“ Katastrophen. „Vieles lässt sich zurückführen auf die Klimakrise, die wir bereits erleben“, unterstrich der Kommissar für das EU-Krisenmanagement.

Deshalb brachte die Kommission am Mittwoch einen Fünfpunkteplan auf den Weg, mit dem die EU eine bessere Fähigkeit entwickeln soll, mit Katastrophen fertig zu werden. Dies beginne mit intensiveren Risikoanalysen, gehe über die Vorbeugung durch eine besser informierte Bevölkerung, den Ausbau eines Frühwarnsystems zu optimierten Reaktionen und zu einer robusten Durchhaltefähigkeit solider Hilfsmechanismen. Die Katastrophenschutzsysteme müssten rund um die Uhr einsatzbereit sein - vor allem während und nach Katastrophen, wenn sie am dringendsten benötigt würden. Um auf diesen Feldern „kritische Lücken“ zu schließen, will die EU für jedes dieser „Katastrophen-Resilienz-Ziele“ Leitinitiativen starten.

Damit will die EU „mehr Leben retten und die Bürgerinnen Bürger, die Lebensgrundlagen und die Umwelt in der EU besser schützen“, erklärte Lenarcic. Die EU sei dann mit ihren Mitgliedsstaaten besser in der Lage, auf Katastrophen größeren Ausmaßes zu reagieren, sie zu verhindern und Vorsorge zu treffen.

Derzeit arbeiten nicht nur die 27 EU-Staaten im Katastrophenfall eingespielt zusammen, sondern auch Albanien, Bosnien, Island, Montenegro, Nordmazedonien, Norwegen, Serbien und die Türkei. Spontan entschied sich auch die Ukraine, sich ebenfalls an den Hilfseinsätzen zu beteiligen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort