Kritik an „Letzter Generation“ Klimaschutzverbände fordern Rückkehr zum Diskurs

Berlin · Ziviler Ungehorsam sei zwar eine legitime Protestform, sagt Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings. Doch der Dachverband vieler Klimaschutzorganisationen übt Kritik an Aktionen der „Letzten Generation“. Die Aktivisten und etablierte Gruppen bleiben auf Distanz. Eine Kriminalisierung sei jedoch absurd.

Eine Aktivistin der „Letzten Generation“ wird während einer Straßenblockade am Freitag, 11. November, in Berlin von der Fahrbahn getragen. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, kann die Motivation der Klimaschutzgruppe nachvollziehen.

Eine Aktivistin der „Letzten Generation“ wird während einer Straßenblockade am Freitag, 11. November, in Berlin von der Fahrbahn getragen. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, kann die Motivation der Klimaschutzgruppe nachvollziehen.

Foto: Elena Eggert

Die Klimaschutzbewegung „Letzte Generation“ hat in den vergangenen Wochen für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Dabei habe sie oft polarisiert, anstatt Mehrheiten zu finden, kritisiert Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR). Gleichzeitig werde die Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Formen der Proteste und nicht auf den realen Klimaschutz gelenkt. „Was mir Sorgen macht ist, dass die gesamte Medienlandschaft nur über die Aktionen spricht“, sagt Niebert.

Erst Anfang November bestätigte der Expertenrat für Klimafragen, dass die Ampel-Regierung mit ihren bisherigen Beschlüssen die Klimaziele für 2030 deutlich verfehle. „Die Bundesregierung muss diesen Rechtsbruch beenden und jetzt ein Paris-kompatibles Klima-Sofortprogramm vorlegen, das unser Land endlich auf den 1,5-Grad-Pfad bringt“, fordert Niebert. Der Deutsche Naturschutzring ist der Dachverband von 99 Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen. Mitglieder sind unter anderem der BUND, Nabu und WWF.

Auch Niebert findet, dass die Bundesregierung beim Klimaschutz zu langsam agiert – angesichts dessen könne er die Aktionen der „Letzten Generation“ nachvollziehen. „Die Proteste entstehen aus Sorge und Hilflosigkeit. Aus ihrer Sicht passiert überhaupt nichts“, sagt Niebert. Es sei deshalb verständlich, dass Menschen zivilen Ungehorsam als Protestform wählen. „Ziviler Ungehorsam ist ein legitimer Bestandteil von Demokratie“, sagt Niebert. Und die Vergangenheit habe gezeigt, dass diese Form des Protests ein Treiber für gesellschaftliche Weiterentwicklung sein kann.

Allerdings müsse ziviler Ungehorsam auch bestimmten Regeln folgen: „Von ihm dürfen weder Gewalt noch Sachbeschädigungen ausgehen und er muss alles für die Sicherheit von Beteiligten wie Unbeteiligten tun“, heißt es in einer Erklärung, die der Naturschutzring nun herausgeben will. Damit distanzieren sich die etablierten Organisationen in gewisser Weise von der „Letzten Generation“. Denn die definierten Grenzen des Protests würden von kleinen Teilen der Protestbewegung überschritten, so Niebert. Außerdem bereitet es dem Präsidenten des DNR Sorge, dass die Kommunikationskanäle zwischen den Umweltverbänden und der „Letzten Generation“ nicht gut funktionieren. „Wir wissen jetzt auch nicht, welche Aktion Greenpeace als Nächstes plant, aber wir sind immer in Gesprächen. Bei der Letzten Generation ist das nicht der Fall“, so Niebert.

Eine pauschale Kriminalisierung der Proteste lehnt er als absurd ab. Aber es sei notwendig, dass die Proteste Mehrheiten gewinnen. Die „Fridays for Future“-Bewegung habe der Klimabewegung beispielsweise sehr geholfen. „Fridays for Future hat aber vor allem am Abendbrottisch viel bewegt – mehr noch als auf der Straße“, beschreibt Niebert. Daran müsse man nun anknüpfen.

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