Interview Ingo Appelt „NoWaBo könnte auch ein Kaugummi sein“

Berlin · Der Kabarettist, langjähriges SPD-Mitglied, geht nicht nur mit seiner eigenen Partei hart ins Gericht. In der Politik fehlen dem Comedian die Stars.

 Der Comedian Ingo Appelt blickt sehr kritisch auf das politische Jahr 2019 zurück.

Der Comedian Ingo Appelt blickt sehr kritisch auf das politische Jahr 2019 zurück.

Foto: Ava Elderwood

Der Comedian und Kabarettist Ingo Appelt, der bereits seit Jahrzehnten SPD-Mitglied ist, hadert mit seiner Partei. Allerdings werde auch die CDU zugrunde gehen, so Appelt im Interview mit unserer Redaktion. Ein Gespräch über Kevin Kühnert, Annegret Kramp-Karrenbauer und Appelts Gag des Jahres 2019.

Herr Appelt, was haben Sie gegen Kevin Kühnert?

APPELT Ich habe nichts gegen Kevin Kühnert, aber ich hätte gern was. Es gibt bei mir eine langgepflegte Feindschaft zwischen Arbeitervertretern und den akademischen Jusos. Ich fühle mich als linker Gewerkschafter, aber bei den Jusos bin ich bestimmt ein rechter Prolet.

Neulich haben Sie Kühnert in der Talksendung von Markus Lanz mal kurz die sozialdemokratische Welt erklärt. Warum?

APPELT Ich kann die Ausrichtung nicht ertragen. Kollege Kühnert macht das alles unentgeltlich, und er muss viel Prügel einstecken. Das finde ich furchtbar. Aber die Jusos reden wie Juristen. Und auch sie verkennen das Problem: Die SPD hat die Arbeiterschaft fast komplett verloren. Jene Menschen, die Angst vor Migration haben, die von gerechten Löhnen nur träumen können und auf dem Markt keine bezahlbare Wohnung finden. Die SPD ist viel zu akademisch geworden.

Taugt Ihre Partei denn wenigstens noch für ein paar gute Witze?

APPELT Natürlich! Ich rede auf der Bühne ja ganz breit darüber. Zum Beispiel indem ich sage, ich bin in der SPD, da kann ich mit meinem Mitgliedsausweis auch auf dem Behindertenparkplatz stehen. Aber im Grunde ist der Zustand der Partei tragisch. Die CDU wird übrigens auch zugrunde gehen.

Das ist ein sehr geschickter Themenwechsel.

APPELT Richtig. Aber das ist nun mal das Ergebnis von großen Koalitionen. Politik muss außerdem ansprechend sein. Und wen haben wir denn da? Merkel war es nie, Kohl schon eher. Als ich das erste Mal Willy Brandt noch im Wasserwerk in Bonn gesehen habe, war ich beeindruckt. Ich hatte Schnappatmung. Bei Helmut Schmidt erging es mir ähnlich, als ich ihm in einer Sendung von Sandra Maischberger die Hand geben konnte.

Wie unbeeindruckt sind Sie von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer?

APPELT Sehr. Sie emotionalisiert mich überhaupt nicht. Auch Friedrich Merz wird es nicht reißen. Uns fehlen einfach die Stars. Aber wo sollen sie auch herkommen?

Wenn Sie es nicht wissen… Wer hat denn 2019 für den meisten Spott gesorgt?

APPELT Wahrscheinlich Boris Becker. Politisch würde ich allerdings sagen AKK. Sie ist wirklich von einem Fettnäpfchen ins nächste getrampelt. Wobei man ihr zugutehalten muss, ist man Vorsitzende einer großen Partei, wird immer gemotzt. Holt AKK nur Luft, dann heißt es schon, der Windzug geht in die falsche Richtung. Kohl hat immer gesagt: Entscheidend ist, was hinten rauskommt. Kurzum: Ich möchte den Job nicht machen.

Was klingt besser – AKK oder NoWaBo für den neuen SPD-Chef Norbert Walter-Borjans?

APPELT AKK klingt mir zu hart, ­NoWaBo könnte auch ein Kaugummi sein. Aber eigentlich ist beides bekloppt.

Hat sich Ihre Sicht auf Politiker in den letzten Jahren verändert?

APPELT Ich bin Kabarettist. Meine Aufgabe war es immer, den Politikern eins mitzugeben. Nur: Mittlerweile stehe ich da und nehme die Leute fast tröstend in Schutz. Alle schreien nur noch rum, aber wirklich mitmachen will kaum einer noch. Das ist unser Problem.

Aber alle reden in den sozialen Netzwerken mit. Macht das ihren Job schwieriger?

APPELT Ich habe das Problem nicht. Andere leiden darunter, weil sie sich bewusst in das Netz hineinbegeben. Ich twittere nicht, ich gucke mir auch keine Facebook-Einträge an. Mein Impetus ist Humor und Frusttherapie. Die Leute verlassen jedenfalls viel entspannter mein Programm.

Was war ihr Lieblingsgag in 2019?

APPELT Der hier: Mein Sohn geht in die Politik, meine Tochter auf den Strich. Ach, guck mal, wenigstens aus dem Mädel ist was geworden.

Ingo Appelt ist derzeit mit seinem Programm „Der Staatstrainer“ auf Tour. Dabei gastiert er unter anderem am 30. April in Neunkirchen, am 3. Mai in Trier.

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