Kampf gegen Corona-Pandemie Spahn: Dritte Welle lässt sich nicht allein durch Impfen brechen

Berlin/Düsseldorf · Die Infektionszahlen sinken stetig, das Impftempo zieht an. Dennoch: Gesundheitsminister Spahn sieht noch keinen Anlass zur Entwarnung. Während Justizministerin Lambrecht die neuen Lockerungen für Geimpfte lobt, mahnt Spahn weiterhin zur Vorsicht. Für nächste Öffnungsschritte hat er klare Vorstellungen.

 Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und RKI-Präsident Lothar Wieler riefen am Freitag trotz sinkender Infektionszahlen und immer mehr Impfungen weiterhin zur Vorsicht und Achtsamkeit auf.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und RKI-Präsident Lothar Wieler riefen am Freitag trotz sinkender Infektionszahlen und immer mehr Impfungen weiterhin zur Vorsicht und Achtsamkeit auf.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat trotz sinkender Infektionszahlen und deutlicher Fortschritte beim Impfen weiterhin zur Vorsicht gemahnt. Die aktuelle Entwicklung sei zwar „ermutigend“, sagte Spahn im Interview mit unserer Redaktion. Dennoch warnte er davor, den bisherigen Erfolg bei der Kontrolle des Infektionsgeschehens nicht zu verspielen.  „Wir werden die dritte Welle aber nicht alleine durch das Impfen brechen. Wir müssen die Inzidenzen senken“, betonte der Gesundheitsminister. Die Appelle sind auch vor dem Hintergrund der neuen Erleichterungen für Geimpfte und von Covid-19 Genesene zu verstehen. Am Freitag gab der Bundesrat grünes Licht dafür, dass die Einschränkungen der Grundrechte für diese Menschen aufgehoben werden. Bereits an diesem Sonntag tritt die entsprechende Verordnung in Kraft. In den vergangenen 14 Monaten seien Grundrechte so sehr eingeschränkt worden wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik, sagte Spahn. „Der Schritt morgen ist nur folgerichtig.“

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) bezeichnete die beschlossenen Erleichterungen als wichtigen Schritt „hin zu mehr Normalität“. Geimpfte und Genesene bräuchten künftig keinen negativen Test mehr, wenn sie einkaufen oder zum Friseur gehen, erläuterte Lambrecht. Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich sowie Ausgangssperren würden für die betreffende Gruppe fallen. „Wenn die Infektionszahlen weiter sinken, werden zügig weitere Schritte folgen“, stellte die Ministerin in Aussicht.

Spahn hingegen machte deutlich, dass sich die Infektionszahlen noch immer auf zu hohem Niveau befänden. Gegenüber unserer Redaktion sagte er: „Wer zu schnell öffnet, verstolpert den bisherigen Erfolg. Deswegen sollten wir - wenn es die Lage vor Ort zulässt - beim Öffnen zunächst draußen anfangen: Außengastronomie, Veranstaltungen unter freiem Himmel, Zoos oder auch Sportveranstaltungen mit reduzierter Besucherzahl – und natürlich immer mit Abstand und Hygiene.“ Der Negativ-Test oder Impfnachweis müsse weiterhin die Voraussetzung bleiben. Auf die Frage, ob bei weiteren Öffnungsschritten ein erneuter Flickenteppich zwischen den Bundesländern drohe, verwies Spahn auf bereits getroffene Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern. „Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz von Anfang März gilt weiterhin. Darin sind auch Öffnungsschritte für Inzidenzen unter 100 festgelegt“, sagte Spahn. Es bleibe wichtig, „Zuversicht und die Aussicht auf einen guten Sommer mit Vorsicht und Umsicht“ zu verknüpfen.

Mit Blick auf die Urlaubssaison zu Pfingsten, aber auch in den Sommermonaten riet Spahn von großen Fernreisen ab. Dazu gab er das Credo aus: „Nordsee statt Südsee quasi.“ Zugleich werde das Reisen innerhalb der EU „voraussichtlich“ nicht von der Impfung abhängig sein. „Auch mit den Testungen wird man sich europaweit gut bewegen können“, so der Gesundheitsminister weiter.

Auch wenn das Impfen nicht als alleiniges Mittel gegen die dritte Welle gilt, wird dennoch weiterhin auf ein hohes Impftempo gesetzt. Vor diesem Hintergrund hatten Bund und Länder am Freitag die Priorisierung für den Astrazeneca-Impfstoff aufgehoben. Spahn kündigte am Freitag an, dass in der kommenden Woche eine Million Astrazeneca-Dosen an die Arztpraxen in Deutschland geliefert werden sollen. Mit Blick auf die Aufhebung der Vorrangliste für diesen Impfstoff sagte er: „In dieser Phase der Pandemie haben wir ein hohes Interesse daran, dass möglichst viele Menschen sich impfen lassen.“

Auch RKI-Präsident Lothar Wieler machte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Spahn in Berlin deutlich, dass die Infektionslage nach wie vor Achtsamkeit erfordere. Zum Risiko einer möglichen vierten Corona-Welle sagte er: „Wir können dafür sorgen in unserem Land, dass keine kommt. Aber nur, wenn wir weiter wachsam bleiben." Große Hoffnung knüpfte Wieler an eine baldige Zulassung des Biontech-Impfstoff für Kinder über 12 Jahren. Dies wäre „ein ganz großer Schritt“, um einen größeren Teil der Bevölkerung schützen zu können. „Die Sorge, die wir haben und viele Kollegen, mit denen ich spreche, über eine theoretische vierte Welle, ist gerade, dass viele Kinder noch ungeschützt sind.“ Denn sie seien weiterhin für das Virus "empfänglich", so der RKI-Präsident.

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