IWH-Chef Ulrich Blum erläutert die Folgen einer möglichen Staatspleite der USA

Halle · Ulrich Blum, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), warnt vor dramatischen Folgen einer möglichen Zahlungsunfähigkeit der USA. Um die Märkte zu beruhigen, könne eine verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse nach deutschem Vorbild helfen, sagte er im Gespräch mit dem Berliner SZ-Korrespondenten Stefan Vetter.

Herr Blum, die meisten Experten sind zuversichtlich, dass sich Demokraten und Republikaner in den USA doch noch in letzter Minute zusammenraufen, um eine Staatspleite abzuwenden. Sie auch?
Blum: Ja, aber ich ahne, dass es sich nur um eine vorübergehende Entspannung handeln wird, so dass wir es in absehbarer Zeit erneut mit diesem Gespenst zu tun haben werden.

Gab es in der Vergangenheit eine vergleichbar bedrohliche Situation?
Blum: 1995 gab es mal einen Haushaltsnotstand in den USA. Da wurden alle Regierungsangestellten für ein paar Tage entlassen. Aber die Situation ist heute trotzdem dramatischer als damals.

Weil ein Pleite-Land USA die ganze Welt in den Abgrund ziehen könnte?
Blum: Die Folgen wären in der Tat fürchterlich. Die USA sind Schuldnerland Nummer Eins in der Welt. Die Gläubiger müssten ihre US-Staatspapiere abschreiben. Solche Anleihen stecken auch in zahlreichen Pensionsfonds und Lebensversicherungen. Wenn das weg bricht, haben wir einen internationalen Notstand.

Und die Märkte könnten sich nicht darauf einstellen?
Blum: Doch, aber dieses Szenario ist ebenfalls düster. Der erste, der seine US-Anleihen abstößt, wird dafür immer noch mehr Geld bekommen als der nächste Verkäufer. Das löst eine Preisspirale nach unten aus. Das heißt, selbst wenn sich die Parteien in den USA auf eine vorübergehende Lösung einigen, könnte das Vertrauen der Märkte bereits vorher verloren gegangen sein.

Wie kann man überhaupt wieder Vertrauen in die Märkte bringen angesichts der horrenden Schulden vieler Staaten?
Blum: Bei den USA hilft nachhaltig nur eine verfassungsrechtliche Lösung, die vorgibt, wann Schulden gemacht werden dürfen und wann nicht. Das würde viel Vertrauen in die Märkte zurück bringen. Mit seiner Schuldenbremse im Grundgesetz leistet Deutschland hier gewissermaßen Pionierarbeit.

Wäre Deutschland stark genug, um eine Zahlungsunfähigkeit Washingtons wegzustecken?
Blum: Nein, denn ein Großteil des deutschen Exports stünde auf dem Spiel. Das betrifft nicht nur die direkten Ausfuhren in die USA. Man muss auch die indirekten Effekte berücksichtigen. Wenn zum Beispiel französische Unternehmen wegen mangelnder Exporte in die USA Pleite gehen, bricht auch der deutsche Export nach Frankreich ein.

Welche konkreten Auswirkungen hätte eine US-Staatspleite auf Deutschland?
Blum: Wir hätten eine Wirtschaftskrise ersten Ranges. Die Arbeitslosigkeit würde steigen, weil viele Märkte weg brechen. Ein Dollar-Verfall würde steigende Rohstoffpreise bedeuten, was mit einem massiven Kaufkraftverlust verbunden wäre. Bei der letzten Krise waren wir noch in der Lage, die deutsche Wirtschaft quasi in einen Gefrierschrank zu schieben und nach einem Jahr wieder heraus zu holen. Und sie war intakt. Das wird im Falle einer US-Pleite nicht noch einmal gelingen.

Und dagegen lässt sich nichts tun?
Blum: Entscheidend ist die absehbare Hysterie. Die ließe sich durch ein kluges Verhalten der großen internationalen Kreditinstitute verhindern. Wenn zum Beispiel die Deutsche Bank anfängt, US-Anleihen abzustoßen, verkaufen alle. Tun Banken dieser Größe das nicht, gäbe es einen starken Stabilisierungseffekt. Zugleich müssten die europäischen Regierungen kurzfristig die Bewertungsregeln bei den Bilanzen der Geldhäuser und Versicherungen ändern, damit die Finanzunternehmen nicht in die dramatische Situation kommen, US-Anleihen bis zum Totalverlust abzuschreiben.

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