Christen, Juden und Muslime Drei Religionen beten und lehren unter einem Dach

BERLIN · Mitten in Berlin haben Christen, Muslime und Juden den Grundstein für ein „House of One“ gelegt.

 Pfarrer Gregor Hohberg, der Rabbiner Andreas Nachama und Imam Kadir Sanci (von links) stehen vor den Resten der im Krieg zerstörten Petrikirche. Der künftige Sakralbau soll dort, im Zentrum Berlins, Kirche, Synagoge und Moschee unter einem Dach sein – und den interreligiösen Dialog fördern.

Pfarrer Gregor Hohberg, der Rabbiner Andreas Nachama und Imam Kadir Sanci (von links) stehen vor den Resten der im Krieg zerstörten Petrikirche. Der künftige Sakralbau soll dort, im Zentrum Berlins, Kirche, Synagoge und Moschee unter einem Dach sein – und den interreligiösen Dialog fördern.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Es kann losgehen. 71 Bohrpfähle auf den alten Grundmauern der Petrikirche im Herzen Berlins sind schon gesetzt. Bald ist die Baugrube ganz ausgehoben. Danach geht es Stein auf Stein. Drei Weltreligionen bauen miteinander, sie bauen auch aufeinander. Ein Haus für drei Religionen unter einem Dach, genannt: „House of One“ – mitten im Herzen Berlins auf dem Petriplatz, der älteste Ort der heutigen deutschen Hauptstadt. Auf diesem Areal ist Berlin geboren. Vor mehr als 800 Jahren stand an diesem Fleck die erste Petrikirche, wie das älteste Schriftstück Berlins von 1237 dokumentiert. Die Leitende Archäologin Claudia Melisch datiert den Ursprung noch weiter zurück: mindestens nach 1150. Wer gräbt, der findet. In diesem Fall waren es 4000 Skelette, wie Melisch sagt.

Knapp 900 Jahre später, anno 2021, entsteht auf dem Grundriss der ersten Petrikirche ein ganz besonderes Gebäude. Am Donnerstag haben Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) bei der Grundsteinlegung dieses in Deutschland einzigartige und in der Welt ganz besondere „House of One“ gewürdigt. In diesem Mehr-Religionen-Haus wollen Christen, Juden und Muslime von Berlin aus zur friedlichen Verständigung beitragen. Miteinander beten und lehren – auch für den Frieden in der Welt. Kübra Dalkilic vom Podcast „331 – 3 Frauen, 3 Religionen, 1 Thema“ sagt denn auch am Tag der Grundsteinlegung: „Das Leben ist einfach zu kurz, um zu hassen.“ Sie würde am liebsten „Samen aus Nächstenliebe jedem hasserfüllten Menschen einpflanzen“. Imam Kadir Sanci, Vorsitzender des Präsidiums „House of One“, betont, dieses Mehr-Religionen-Haus stehe für „Weltoffenheit“, für eine „weltoffene Auslegung des Islam“. Vom „House of One“ möge Frieden und Sicherheit „nach außen“ gehen. Sanci stellt sich dazu – rhetorisch – selbst die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre. Antwort: „Ja, sowohl die Muslime wie auch der Islam gehören zu Deutschland.“ Bald gebe es eine Moschee im Herzen von Berlin – direkt neben einer Synagoge und einer Kirche.

Zehn Jahre hat es gedauert: Von der allerersten Idee für dieses „Welthaus“, wie Sanci dieses weltweit wohl einmalige Bauwerk nennt, bis zum Befüllen des Grundsteins mit aktueller Tageszeitung und Schatulle an diesem wolkenvergangenen Mai-Tag. Rabbiner Andreas Nachama sagt über diese Zeit von der Idee über Planung bis zum Setzen des Grundsteines: „Wir sind Freunde oder Brüder geworden.“ Weltweit einzigartig sei, dass die Initiative für dieses „House of One“ von den Religionsvertretern selbst ausgegangen sei. Nachama: „Wir reden miteinander und wir wissen um die Probleme in der Welt.“ Um Rassismus, Anti-Semitismus, Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit, Gewalt. Pfarrer Gregor Hohberg nennt dieses gemeinsame Haus für drei Religionen denn auch „ein offensives Angebot, Religion in Ruhe wahrzunehmen“. Ohne Hass und Scheuklappen. Wobei sowohl Hohberg als auch Nachama und Sanci nicht den Anspruch haben, „Judentum, Christentum und Islam in Gänze zu repräsentieren“, wie es Bundestagspräsident Schäuble sagt.

Für dieses Haus habe es nun wahrlich „Gottvertrauen“ gebraucht und „weise Mitstreiter“, sagt Schäuble weiter. Es gehe dabei um religiöse Vielfalt. Dieses Drei-Religionen-Haus wolle ganz bewusst „Unterschiede sichtbar“ machen – so wie es eben „Spannungen und Spaltungen in der Gesellschaft“ gebe. Für Berlins Regierenden Bürgermeister Müller ist das „House of One“ kein innerreligiöses Projekt, sondern stehe für die „Öffnung der Stadtgesellschaft“. Müller: „Seien wir also neugierig aufeinander und nutzen wir dieses einzigartige Haus – mit Kirche, Synagoge und Moschee unter einem Dach.“

Das „House of One“ ist nicht nur für Gläubige der drei Religionen gedacht, sondern auch für Agnostiker und Atheisten, für Unternehmer, Künstler oder Sportler – ein Haus auch der gesellschaftlichen Begegnung. Die drei separaten heiligen Räume in diesem Sakralbau werden um die zentrale Halle herum angeordnet. Denn das soll es sein: Ein interreligiöser Dialog, auch ein interkultureller Dialog. Imam Sanci sagt beim Festakt: „Wir beten für ein langes geschwisterliches und freundschaftliches Miteinander.“ Und sie werden künftig neben getrennten Gebeten der Religionen auch gemeinsame Andachten halten.

  Der Entwurf des „House of One“, das am Berliner Petriplatz entstehen soll.

Der Entwurf des „House of One“, das am Berliner Petriplatz entstehen soll.

Foto: epd/Architekturbuero Kuehn Malvezzi

In vier Jahren soll das Haus stehen, fertig für Gebet und Lehre sein, für Diskussion und Debatte. Die drei Gebetsräume gleich groß, aber unterschiedlich in der Form. Rund 47 Millionen Euro soll das „House of One“ kosten. 20 Millionen Euro davon kommen vom Bund, zehn Millionen Euro vom Land Berlin, zehn Millionen sind bislang – von überall auf der Welt – an Spenden eingesammelt. Fehlen noch rund sieben Millionen Euro weitere erhoffte Spenden, wie Sophia Athié sagt, die beim „House oft One“ für strategische Partnerschaften und Fundraising zuständig ist. „Man muss eigentlich nur für Frieden sein, um sich hier mit zu engagieren“, sagt Athié. Zehn Euro kostet ein Stein, wer sich beteiligen möchte. Athié hofft, dass mehr Steine gespendet werden, als das gemeinsame Haus letztlich braucht. Zum Schluss spielen und singen sie die „Ode an die Freude“ – auf Arabisch. „Schalom, Salaam, Friede sei mit Euch“, sagt einer der Teilnehmer noch.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort