Affäre um Fördergelder im Bundesbildungsministerium „Maulkorb für leitende Angestellte ein denkbar schlechtes Signal“

Berlin · Die sogenannte Fördergeld-Affäre des Bildungsministeriums hat das Vertrauen der Wissenschaftsgemeinde zur Bundesregierung beschädigt. Vertreter setzen auf baldige Gespräche mit Ministerin Stark-Watzinger. Die ist zurzeit auf Sommertour.

Ministerin Stark-Watzinger wird sich nach der Sommerpause wieder Kritikern stellen müssen.

Ministerin Stark-Watzinger wird sich nach der Sommerpause wieder Kritikern stellen müssen.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) reist in diesen Tagen durch Deutschland, um sich über Zukunftstechnologien zu informieren. Am Montag begann ihre Sommertour mit einem Besuch von Forschungseinrichtungen in Cottbus. Die Affäre rund um einen offenen Brief, und den Umgang des Ministeriums damit, bleibt allerdings präsent. Der Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV), Lambert Koch, sagte unserer Redaktion: „Auch wenn ihr die Sommerpause samt Olympiade entgegen kam, bleibt es dabei: Die Fördergeld-Affäre kann Bundesministerin Stark-Watzinger nicht aussitzen.“

Der Hintergrund: Hochschullehrerinnen und -lehrer hatten sich im Mai in einem offenen Brief hinter propalästinensische Proteste an deutschen Universitäten gestellt. Stark-Watzinger hatte diesen öffentlich scharf kritisiert. Später machte der NDR eine Prüfung möglicher Konsequenzen innerhalb des Ministeriums für die Betroffenen publik, auch in Bezug auf Fördermittel. Das sorgte für heftige Kritik und Rücktrittsforderungen an die Ministerin. Stark-Watzinger will von einem Prüfauftrag nichts gewusst haben - und entließ Staatssekretärin Sabine Döring, der sie die Verantwortung für die Prüfung zuwies.

DHV-Präsident Koch forderte ein direktes Gespräch der Ministerin mit den betroffenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Dies sei „ein überfälliger Schritt“, der aber nur glaubhaft wäre, wenn zugleich alle bislang ungeklärten Vorgänge innerhalb des Ministeriums schonungslos aufgearbeitet und entsprechende Konsequenzen gezogen würden. Aus Sicht des Verbands gehört dazu auch, die in den Ruhestand versetzte Staatssekretärin Döring von ihrer Schweigepflicht zu entbinden. „Gerade in einer Affäre, in der es um Meinungsfreiheit geht, ist ein faktischer Maulkorb für leitende Angestellte ein denkbar schlechtes Signal.“

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Walter Rosenthal, sagte mit Blick auf den Umgang des Ministeriums mit dem offenen Brief, Überlegungen, eine umstrittene, aber nicht strafbewehrte Meinungsäußerung auch förderrechtlich bewerten zu wollen, seien „eine klare Grenzüberschreitung“. Er begrüßte, dass es dazu im Ministerium ganz unmittelbar einen kritischen Dialog gegeben habe, das Ansinnen entschieden zurückgewiesen wurde, und sich die Ministerin in der Folge wiederholt und eindeutig zu Wissenschaftsfreiheit und Meinungsfreiheit bekannt habe. „Der Vorgang hat in der Wissenschaft dennoch Irritationen ausgelöst und zu einem Vertrauensverlust geführt“, fügte er hinzu. Nun werde es wichtig sein, seitens des Ministeriums und seiner Leitung künftig keinerlei Zweifel daran aufkommen zu lassen, „dass Förderentscheidungen allein wissenschaftsgeleitet getroffen werden und dass die Wissenschaftsfreiheit auch im Meinungsstreit unbedingt respektiert wird“. Diesbezüglich neues Vertrauen aufzubauen könne durch Gespräche der Ministerin mit den von ihr kritisierten und vom Ministerium geförderten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gelingen.

Zuletzt hatte auch die Union weiter Druck auf die Ministerin gemacht. Stark-Watzinger soll auf Antrag von CDU/CSU am 10. September in einer Sondersitzung des Bundestags-Bildungsausschusses erneut Rede und Antwort stehen - ebenso die entlassene Staatssekretärin. Ein Termin für ein Gespräch mit betroffenen Hochschullehrern ist indes noch nicht bekannt.

(mit dpa/afp)