Klausur in Dreden Die Grünen und die Ost-Wahlen: Große Chancen, großes Risiko

Dresden · Auf bisher schwierigem Terrain hofft die Öko-Partei am Sonntag auf zweistellige Ergebnisse. Aber noch ist nicht gewählt – und es drohen Zerreißproben.

Alle in den Osten! Die Grünen klotzen beim Wahlkampf – und sind dort seit Wochen auf Tour. Das Nordlicht Robert Habeck hat in Dresden schon eine Stamm-Joggingstrecke, so oft war er da. Kein Wunder: Noch nie war die Chance auf ein zweistelliges Ergebnis in Ostdeutschland so groß wie bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen am Sonntag, und knapp zwei Monate später in Thüringen. Zum Endspurt vor dem Wahlsonntag tagt der Bundesvorstand noch mal in Dresden – und beschwört eine Wechselstimmung.

Die Botschaften werden aggressiver auf diesen letzten Metern. Habeck und Co-Parteichefin Annalena Baerbock teilen ungewohnt heftig aus gegen CDU und SPD, werfen ihnen unseriöse Politik, gar Panik vor. Eigentlich geben die beiden sich konstruktiv, haben sich vorgenommen, über sich zu reden statt über die anderen. Aber nervös sind sie eben auch, die Grünen – aus guten Gründen.

Erstens: In den Umfragen ging es zuletzt nicht mehr bergauf, sondern geradeaus oder bergab. Die Parteien der Ministerpräsidenten – SPD in Brandenburg, CDU in Sachsen – legten zu, auch auf Kosten der Grünen. Zweitens: Umfragen zwischen 10 und 14 Prozent sind für die Öko-Partei mit dem Wessi-Image immer noch viel mehr als bisher. Aber: 2014 gingen nicht mal die Hälfte der Sachsen und Brandenburger zur Wahl. Drittens: Nach den Wahlen dürfte es kompliziert werden. In Brandenburg regiert Dietmar Woidke (SPD) mit den Linken, in Sachsen Michael Kretschmer (CDU) mit der SPD. Beide bräuchten dem Umfragen zufolge die Grünen als dritte im Bunde, um weitermachen zu können. Hier Rot-Rot-Grün, da Schwarz-Rot-Grün mit einer CDU, in der manche – nicht Kretschmer – sich der AfD näher fühlen. Ein Spagat. Der Preis ist dennoch verlockend: Statt in neun Ländern könnten die Grünen in elf mitregieren – und in der ostdeutschen Fläche richtig Fuß fassen. Denn obwohl sie neben Berlin auch in Sachsen-Anhalt und Thüringen als Juniorpartner an der Macht sind, gilt Ostdeutschland nach wie vor als schwieriges Terrain für die Partei.

Statt Klimaschutz macht der Kohleausstieg vielen Wählern in den Braunkohle-Regionen im Osten zurzeit eher Angst als Hoffnung. Ihren Beschluss von Dresden überschreiben die Grünen denn auch mit „Klimaschutz und Strukturentwicklung als Chance“.

Die Spitzengrünen müssen in Dresden aber noch weiter denken. Im Herbst könnte die Groko im Bund wackeln. In Sachen Programm und Personal könnten die Grünen einen Wahlkampf stemmen, in Umfragen bleiben sie der Union auf den Fersen. Allerdings ist die Partei auch im Umbau: 25 000 neue Mitglieder seit der Bundestagswahl, mehr Mandate – das will organisiert sein. Oder, wie Baerbock es sagt: Mit den Mitteln einer Acht-Prozent-Partei mache man gerade „Politik mit den Erwartungen einer 20-Prozent Partei“.

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