Parteitag in Berlin Die Grünen wollen wieder mitregieren

Berlin · Trotz derzeit schlechter Umfragewerte hoffen die Parteispitzen auf eine Koalitionsbeteiligung im Bund. Nur mit wem?

 Gute Stimmung trotz mauer Umfragewerte: Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter begrüßt Frank Bsirske (l), Vorsitzender der Gewerkschaft Verdi.

Gute Stimmung trotz mauer Umfragewerte: Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter begrüßt Frank Bsirske (l), Vorsitzender der Gewerkschaft Verdi.

Foto: dpa/Rainer Jensen

Der Spitzenkandidat und Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, hat seine Partei auf eine Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl im Herbst eingeschworen. „Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen und dieses Land mitzugestalten“, sagte Özdemir gestern zum Auftakt des Parteitages der Grünen in Berlin.Als Wahlziel gab er den dritten Rang unter den Parteien aus: „Auf Platz drei entscheidet sich, welche Richtung unser Land einschlagen wird.“

Die Grünen sind seit zwölf Jahren in der Opposition und gegenwärtig nur viertstärkste und kleinste politische Gruppierung im Bundestag. Für eine künftige Koalition schloss Özdemir weder ein Bündnis mit der Union noch mit der SPD aus. „Wenn alle immer alles ausschließen, bleibt es am Ende bei der großen Koalition. Und die wollen wir ablösen“, rief er unter großem Beifall. Deshalb könne man mit allen reden, außer mit der AfD. Allerdings grenzte er sich auch von der Linkspartei ab: Man werde mit Sahra Wagenknecht „nicht über Menschenrechtsrabatte für ihre Freunde in Russland und Venezuela“ reden. Im Mittelpunkt der dreitägigen Beratungen steht die Debatte über das Wahlprogramm, das am Sonntag verabschiedet werden soll. Die Lage ist schwierig. Die Umfragen haben sich seit 2016 auf etwa sieben bis acht Prozent fast halbiert. Die Co-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt attestierte ihrer Partei am Freitag per Interview ein Image-Problem. „Der Parteitag muss die Wende bringen“, so Göring-Eckardt.

Zu den prominenten Rednern am ersten Beratungstag gehörte auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Auf dem Parteitag im November in Münster war der einzige grüne Regierungschef der Republik mit seinem „Nein“ zur Vermögensteuer noch bei der Basis angeeckt. Diesmal zeigte sich Kretschmann beinah staatsmännisch. Er warb für Geschlossenheit und ein starkes grünes Selbstbewusstsein. Angesichts der großen Herausforderungen beim Klima- und Artenschutz seien die Grünen „so dringend notwendig wie nie zuvor“. Die Partei werde stark werden, „weil wir die Menschheitsfragen in den Mittelpunkt stellen“. Am Ende gab es dafür freundlichen Applaus.

Am späten Abend wollte sich der Parteitag noch mit den Programm-Kapiteln Umwelt und Landwirtschaft beschäftigen. Gefordert werden hier zum Beispiel ein Ausbau der Recycling-Systeme, eine „giftfreie“ Agrar-Wirtschaft sowie der Ausstieg aus der Massentierhaltung. Dem aktuellen ARD-Deutschlandtrend zufolge haben die Grünen bei solchen Fragen aber offenbar ihr politisches Alleinstellungsmerkmal eingebüßt. So halten 57 Prozent der Bundesbürger die Grünen für nicht mehr so wichtig, weil sich auch andere Parteien um Umwelt-und Klimaschutz kümmerten. Nur 16 Prozent der Befragten sind der Auffassung, dass die Grünen ein überzeugendes Führungspersonal haben.

Heute soll auch der stellvertretende Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Robert Habeck, eine Rede halten. Viele Parteimitglieder wünschen sich Habeck als künftigen Vorsitzenden, nachdem Özdemir angekündigt hatte, bei der nächsten Vorstandswahl nicht mehr anzutreten. Allerdings will Habeck, der Özdemir beim Basisvotum zur Spitzenkandidatur nur knapp unterlegen war, in der neuen „Jamaika-Koalition“ weiter Umweltminister in Kiel bleiben. Nach Grünen-Satzung dürfen Vorstandsmitglieder nicht gleichzeitig einer Bundes- oder Landesregierung angehören.

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