Gauck kandidiert laut „Bild“ kein zweites Mal

Berlin (dpa) · Bundespräsident Gauck soll sich entschlossen haben, trotz bester Chancen auf eine Wiederwahl nicht mehr anzutreten. Ganz überraschend käme das nicht. Eine Nachfolge-Suche dürfte schwierig werden - die Verhältnisse zwischen den Parteien sind derzeit recht delikat.

Die Berichte über einen Verzicht von Bundespräsident Joachim Gauck auf eine zweite Amtszeit haben eine Nachfolge-Debatte ins Rollen gebracht. Angesichts der Bundestagswahl 2017 zeichnet sich eine komplizierte Kandidatensuche für die Kür des Staatsoberhaupts im kommenden Februar ab.

Die Union will nach „Spiegel“-Informationen einen eigenen Kandidaten nominieren, falls Gauck (76) tatsächlich nicht mehr antritt. Aus der SPD und den Linken kamen am Samstag erste Forderungen, angesichts aussichtsreicher Verhältnisse in der Bundesversammlung einen rot-rot-grünen Bewerber dagegen zu stellen.

Nach einem „Bild“-Bericht hat sich Gauck entschieden, nicht mehr anzutreten. Wie das Blatt unter Berufung auf „politische Kreise“ in Berlin berichtete, will er am Montagabend mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Abendessen unter vier Augen im Amtssitz Schloss Bellevue seine Beweggründe ausführlich erläutern. Am Dienstag wolle er die Entscheidung der Öffentlichkeit bekannt geben.

Zu Gaucks Gründen für einen Verzicht zählen laut „Bild“ sein Alter und gesundheitliche Beschwerden. Seine Sprecherin sagte am Freitagabend der Deutschen Presse-Agentur, das Präsidialamt bleibe bei seiner Linie, zu Berichten dieser Art nicht Stellung zu nehmen.

„Der Spiegel“ schreibt, kurz vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 könnten CDU/CSU aus taktischen Gründen weder einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten mit der SPD noch mit den Grünen präsentieren. Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel sei sich dieser Erwartung ihrer Partei an sie bewusst, berichtete das Magazin unter Verweis auf Stimmen aus ihrem Umfeld.

Als aussichtsreicher Bewerber aus der Union gelte Bundestagspräsident Norbert Lammert, der CDU-Politiker würde von der Fraktionsspitze mitgetragen und könnte auch mit CSU-Unterstützung rechnen. Lammert selbst betonte am Samstag am Rande einer Benefizveranstaltung in Bochum, Gauck habe sich „noch gar nicht erklärt“. Er gehöre „zu denjenigen, die auch öffentlich erklärt haben, dass ich mir sehr wünschen würde, dass er für eine weitere Amtszeit zur Verfügung steht“. Spekulationen seien „erstens unnötig und zweitens auch respektlos. Ich werde mich daran sicher nicht beteiligen.“

Der Bundespräsident hatte die Entscheidung über seine Zukunft bis zum Frühsommer angekündigt. Union, SPD und Grüne befürworteten eine zweite Amtszeit des parteilosen früheren Pastors und DDR-Bürgerrechtlers aus Rostock. Auch Merkel sprach sich für eine Wiederwahl aus. Zuletzt meinten 70 Prozent der Bundesbürger in einer Umfrage, Gauck solle weitermachen. Die Bundesversammlung, die das Staatsoberhaupt wählt, tritt am 12. Februar 2017 zusammen.

Gauck folgte im März 2012 auf Christian Wulff, der nach nur 20 Monaten wegen Ermittlungen im Zusammenhang mit einem Hauskredit zurückgetreten war. 2010 war Gauck als Kandidat von Rot-Grün noch gegen Wulff unterlegen.

Als möglicher Gauck-Nachfolger wurde neben Lammert auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gehandelt. Die Kandidatensuche ist auch deshalb kompliziert, weil viele in der Spitze von Union und SPD vor der Bundestagswahl 2017 ein Signal in Richtung einer erneuten großen Koalition scheuen. Das Bündnis der Volksparteien gilt als Notlösung und solle möglichst nicht durch eine politische Weichenstellung wie die Präsidentenwahl quasi vorbereitet werden, heißt es.

Die Linke-Chefs Katja Kipping und Bernd Riexinger forderten SPD und Grüne auf, „eine gemeinsame Kandidatin oder einen gemeinsamen Kandidaten ins Rennen zu schicken“. Gefunden werden solle „eine Person, die soziale Gerechtigkeit, Weltoffenheit und Frieden glaubhaft verkörpert“. Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte der „Welt am Sonntag“: „Ein eigener Kandidat oder eine eigene Kandidatin ist nicht ausgeschlossen. Diese Entscheidung wird auch von den anderen Kandidatenvorschlägen abhängig sein.“

Aus der SPD sprach sich der stellvertretende Fraktionschef Axel Schäfer für einen Kandidaten zusammen mit Grünen und Linken aus. „Ich bin entschieden dafür, aus der numerischen rot-grün-roten Mehrheit in der Bundesversammlung eine politische und persönliche Mehrheit zu machen“, sagte er der „Welt am Sonntag“.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer mahnte Zurückhaltung an: „Es gibt keine Verlautbarung des Bundespräsidenten. Deswegen auch nicht von der CSU und schon gar keine weiteren Personalspekulationen.“ Der Vorsitzende der in der Bundesversammlung mitvertretenen FDP, Christian Lindner, teilte via Twitter mit: „Gauck hat dem Amt Bedeutung zurückgegeben - Nachfolge wird nun kompliziert ...“

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