Shitstorm Wieso Frauen im Netz gegen den Impfstopp protestieren

Der Impfstopp für AstraZeneca sorgt im Netz für Unverständnis. Ein Aspekt stößt besonders Frauen sauer auf.

Frauen protestieren online gegen den Impfstopp von AstraZeneca
Foto: AP/Frank Augstein

War die Entscheidung der Bundesregierung, Impfungen mit AstraZeneca bis auf weiteres auszusetzen, verantwortungsvoll oder Resultat falscher Risikoabwägung? Darüber herrschte am Montag zumindest im Netz weitgehend Einigkeit. Sieben Fälle von Thrombose bei 1,6 Millionen Geimpften in Deutschland – dies rechtfertige keinen Impfstopp, da die Risiken einer Corona-Infektion deutlich höher seien, so die Kritiker, zu denen auch SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach gehörte.

Auf der Plattform Twitter zogen viele weibliche Nutzerinnen schnell Vergleiche zur Antibabypille. Als hormonelles Verhütungsmittel hat diese diverse Nebenwirkungen. Unter anderem steigt durch die Einnahme das Thromboserisiko – und dieses ist deutlich höher als bisher bei AstraZeneca bekannt.

Der Shitstorm ließ damit nicht lange auf sich warten. Innerhalb kürzester Zeit fand sich das Stichwort „Pille“ neben AstraZeneca in den deutschen Twitter-Trends, Tweets dazu wurden tausendfach geteilt. Auf die Frage, wieso ein Impfstoff wegen extrem seltener Nebenwirkungen aus dem Verkehr gezogen wird, während die Pille bereits jungen Mädchen verschrieben wird und gemeinhin als unbedenklich gilt, wurde rasch eine Antwort gefunden: Sexismus.

Früher als Instrument der sexuellen Befreiung gefeiert, steht die Pille bereits seit einigen Jahren nicht nur bei Feministinnen in der Kritik. Viele bemängeln, dass Gynäkologen ihre Patientinnen kaum über nicht-hormonelle Alternativen zur Empfängnisverhütung informieren, dazu werde die Pille häufig auch aus anderen Gründen (beispielsweise bei Menstruationsbeschwerden oder Akne) ohne richtige Aufklärung über die Nebenwirkungen verschrieben. Neben dem Thromboserisiko, das bei den eigentlich als verträglicher geltenden Pillen der 3. und 4. Generation sogar höher ist als bei älteren Präparaten, beklagen Nutzerinnen besonders häufig sexuelle Unlust. Und erst 2018 sorgte eine dänische Studie für Aufsehen: Sie bewies, dass Frauen – besonders Jugendliche – welche mit der Pille verhüten, eher an Depression erkranken und sogar ein höheres Suizid-Risiko haben. Daraufhin mussten die Beipackzettel verschiedener Präparate angepasst werden.

Die Folgen sind messbar: Statistiken (beispielsweise der AOK und der Techniker Krankenkasse) zeigen, dass sich immer mehr Frauen gegen die Pille entscheiden. Der aktuelle Impfstopp-Shitstorm dürfte der Debatte um die Gefährlichkeit der Pille nochmals Schub verleihen – auch wenn besonnene Stimmen zwischenzeitlich mahnten, dass die bei der Pille auftretenden Thrombosen nicht vergleichbar sind mit den viel gefährlicheren Sinusvenenthrombosen, welche bei AstraZeneca beobachtet wurden. Der Eindruck, dass die Gesundheit von Frauen nicht so wichtig sei, bleibt dennoch. Zumindest im Netz.

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