Umgang mit Rechtsextremismus Seehofers fragwürdiges Erbe und Faesers hohe Messlatte

Meinung | Berlin · Ex-Innenminister Horst Seehofer soll ein Gutachten des Verfassungsschutzes über die AfD abgemildert haben. Ein brisanter Bericht legt nahe, dass der CSU-Politiker die Rechtsaußen-Partei geschont hat. Seine Nachfolgerin Nancy Faeser will einen Schlussstrich unter dieses Erbe ziehen. Nun muss sie ihren ambitionierten Worten auch Taten folgen lassen.

 Ex-Innenminister Horst Seehofer (CSU, l.) ein Gutachten des Verfassungsschutzes über die AfD, das Verfassungsschutzchef Haldenwang unterzeichnet hatte, abgeschwächt haben.

Ex-Innenminister Horst Seehofer (CSU, l.) ein Gutachten des Verfassungsschutzes über die AfD, das Verfassungsschutzchef Haldenwang unterzeichnet hatte, abgeschwächt haben.

Foto: AP/Michael Sohn

Klare Kante gegen Rechtsaußen – darin sind sich alle Parteien jenseits der AfD einig. Zum Glück. Der Umgang mit der AfD ist gereift. Inzwischen stehen die demokratischen Kräfte klar zusammen in ihrer Ablehnung der rechtsextremen, demokratie- und verfassungsfeindlichen Tendenzen, die die AfD ins Parlament und in die gesamte Gesellschaft trägt. Umso brisanter ist es, wenn nun eine Recherche der Süddeutschen Zeitung nahelegt, dass Ex-Innenminister Horst Seehofer (CSU) ein Gutachten des Verfassungsschutzes über die AfD abgeschwächt haben soll. Hat Seehofer die AfD geschont? Diesen Eindruck erweckt der Bericht, der Einblick in interne Dokumente gibt. Das wirft nicht nur nachträglich ein schlechtes Licht auf den früheren Minister, der stets betont hatte, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Verfassungsschützer zu nehmen. Es ist auch innenpolitisch heikel.

Eine erste Einschätzung des Verfassungsschutzes ließ an dem Radikalismus der AfD keine Zweifel. Mit dem Gutachten wurde immerhin die Beobachtung der Partei entschieden. Doch Seehofer soll dazwischengefunkt haben. So soll der Ex-Minister die Kritik an dem AfD-Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ abgemildert haben, ebenso die Kritik an der AfD-Ablehnung von Zuwanderern. Seehofers mögliche Intervention in diesen Punkten hat einen bitteren Beigeschmack. Schließlich war er 2015 und in den darauffolgenden Jahren einer der schärfsten Kritiker der Migrationspolitik von Ex-Kanzlerin Merkel und befand noch 2018, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Im Versuch, die AfD in Migrationsfragen rechts zu überholen, hatte sich die CSU schwer verzockt. Umso übler, dass Seehofer ausgerechnet in diesen Fragen Milde gegenüber der AfD walten ließ. Auch wenn das Ministerium die Plausibilität der Entscheidung des Verfassungsschutzes überprüfen darf, haben parteipolitische Färbungen dabei nichts zu suchen.

Die neue Innenministerin will dieses Erbe ihres Vorgängers nicht fortführen, daran lässt sie in den ersten Wochen im Amt keinen Zweifel. Nancy Faeser (SPD) schlägt ganz andere Töne an. Der Islam gehöre „natürlich zu Deutschland“, sagte sie kürzlich in einem Interview. Faeser will den Kampf gegen Islamfeindlichkeit stärken, Deutschland zu einem „guten Integrationsland“ machen, einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus vorlegen und Extremisten den Kampf ansagen. Das ist allerhand, und es klingt vielversprechend. Doch bisher ist es eben auch nicht mehr als vollmundige Ankündigungen. Faeser hat die Messlatte selbst hochgelegt. Es wird nicht reichen, Versäumnisse der Ära Seehofer aufzuholen. Faeser muss höher springen.

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