Hilfsorganisation zeichnet düsteres Bild Ärzte ohne Grenzen besorgt über geplante EU-Grenzverfahren

Berlin · Vor der EU-Entscheidung über neue Asylverfahren befürchtet die Hilfsorganisation eine Verschärfung der humanitären Lage für Geflüchtete weltweit. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze spricht sich für mehr grenzüberschreitendes Engagement aus.

Rettungsaktion der Ärzte ohne Grenzen: Vor der Küste Siziliens rettet die Organisation geflüchtete Menschen von einem Boot, das im Mittelmeer in Seenot geriet.

Rettungsaktion der Ärzte ohne Grenzen: Vor der Küste Siziliens rettet die Organisation geflüchtete Menschen von einem Boot, das im Mittelmeer in Seenot geriet.

Foto: dpa/-

Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ hat vor zunehmenden Problemen bei humanitären Hilfeleistungen gewarnt. „Wir befinden uns in einem Zeitalter mit komplexen Krisen und Kriegen“, sagte Geschäftsführer Christian Katzer am Donnerstag bei der Jahres-Pressekonferenz der Organisation in Berlin. Dabei warnte er auch vor schärferen Restriktionen an den EU-Außengrenzen. Die Organisation beobachte seit Jahren, „wie Menschen an den EU-Grenzzäunen im Wald erfrieren, im Mittelmeer ertrinken, illegale Pushbacks stattfinden und vulnerable Menschen in haftähnlichen Camps an den EU-Außengrenzen ausharren“, so Katzer. Die Pläne, die am Donnerstag auf EU-Ebene diskutiert und vermutlich verabschiedet würden, würden „die Lage eher noch verschärfen“, so der Deutschland-Chef der Organisation.

„Ärzte ohne Grenzen“ leistet weltweit in mehr als 70 Ländern medizinische Nothilfe. Im vergangenen Jahr nahm der Verein laut Jahresbericht 268,5 Millionen Euro ein, die sich primär aus Spenden zusammensetzen. Ein Rekord. Öffentliche Fördermittel erhält die Organisation nicht. Insgesamt flossen 262,2 Millionen Euro in Projekte, Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit.

Trotz der großen finanziellen Unterstützung sieht sich die Organisation mit großen Schwierigkeiten beim Ausüben ihrer Arbeit konfrontiert. Die Kosten für medizinische Güter und Treibstoff seien gestiegen, zudem gebe es in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo und dem Sudan immer wieder bewaffnete Zusammenkünfte, sagte Katzer. Der sichere Zugang zu Gesundheitseinrichtungen sei dadurch nicht gewährleistet, da diese direkt angegriffen oder geplündert würden.

Eine besondere Schwierigkeit stelle die medizinische Versorgung von Frauen dar. Im Jemen beispielsweise dürften diese sich nicht ohne ein männliches Familienmitglied bewegen und nur von Frauen behandeln lassen, was die Arbeit der Mediziner erschwere, berichtete die stellvertretende Vorsitzende der Organisation, Parnian Parvanta. Ähnliches gelte für die Situation in Afghanistan, die Parvanta als „Extremfall, aber kein Einzelfall“ bezeichnete. Auch bei der Vielzahl unsachgemäßer Schwangerschaftsabbrüche ließe sich „kein positiver Trend ausmachen“. „45 Prozent der weltweiten Abbrüche werden unsachgemäß durchgeführt und können im schlimmsten Fall zum Tode führen oder langfristige Komplikationen für die Patientinnen nach sich ziehen“, sagt sie.

Anlässlich der Pressekonferenz der Nothilfeorganisation forderte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) mehr internationales Engagement zur Unterstützung von Menschen auf der Flucht. „Ich bin überzeugt: Um eine gute Zukunft für uns alle zu gestalten, brauchen wir mehr denn je Engagement über Grenzen hinweg“, so die Politikerin. Weltweit seien mehr als 100 Millionen Menschen auf der Flucht – „ein trauriger Rekord“, sagte Schulze.

„Die Hauptlast bei der Versorgung der Geflüchteten tragen übrigens gar nicht wir in Europa, sondern die Entwicklungsländer“, sagte die SPD-Politikerin unserer Redaktion. „Darum helfen wir aufnehmenden Gemeinden ganz konkret dabei, Menschen auf der Flucht ein Leben in Würde und Sicherheit zu ermöglichen.“ Die Ministerin sprach sich dabei für langfristige Lösungen aus, die es geflüchteten Personen ermöglichen solle, in den Gemeinden Arbeit zu finden. „Das gelingt am besten, wenn es nicht nur den Geflüchteten zugute kommt, sondern auch den aufnehmenden Gemeinden. Wir setzen dabei auf langfristige Lösungen. Zum Beispiel unterstützen wir, dass Menschen auf der Flucht ein eigenes Einkommen erwirtschaften können, um nicht dauerhaft von Hilfsgeldern abhängig zu sein.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort