Berufung von Ferda Aataman Ataman bleibt in der Koalition umstritten

Berlin · Am Donnerstag wird sich entscheiden, ob Ferda Ataman neue Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung wird. Warum ist die Publizistin so umstritten?

 Die Publizistin Ferda Atman.

Die Publizistin Ferda Atman.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Am Donnerstag wird sich entscheiden, ob sie künftig in der Bundesregierung Verantwortung übernehmen wird. Dann stimmt der Bundestag darüber ab, ob die Publizistin Ferda Ataman neue Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung wird. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte Ataman vorgeschlagen, das Bundeskabinett hatte dem Vorschlag zugestimmt. Erstmals entscheidet der Bundestag über die Leitung der Antidiskriminierungsstelle. Das Parlament hatte im April einer entsprechenden Änderung des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes zugestimmt. Das Amt soll als Unabhängiger Bundesbeauftragter für Antidiskriminierung ausgestaltet werden. Demnach behält die Bundesregierung das Vorschlagsrecht; ernannt und vereidigt wird die gewählte Person durch den Bundespräsidenten. Die Amtszeit ist auf fünf Jahre bei einmaliger Wiederwahl begrenzt.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist die nationale Anlaufstelle für von Diskriminierung betroffene Menschen. Sie betreibt Öffentlichkeitsarbeit, führt wissenschaftliche Untersuchungen zu Diskriminierungen durch und gibt Empfehlungen zu deren Vermeidung.

Bei der FDP gibt es immer noch viele Kritiker der Politologin und Publizistin. Ataman war unter anderem im Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen und als Referatsleiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) tätig. Anschließend baute sie den Mediendienst Integration auf, eine wissenschaftliche Informationsplattform für Journalisten, und arbeitete als Buchautorin, Journalistin und Kolumnistin für verschiedene Zeitungen und Magazine.

Zuletzt gründete sie ein Beratungsunternehmen für Diversität. Für ihre Arbeit und ihr ehrenamtliches Engagement erhielt sie 2019 den „Julie und August Bebel Preis“ für innovative und emanzipatorische Beiträge zur Politischen Bildung. Ihre Nominierung hatte aber auch eine Kontroverse ausgelöst. Kritiker werfen ihr unter anderem eine Bagatellisierung des Islamismus vor.

Dem von dem damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) eingeführten Heimatministerium bescheinigte Ataman, das sei „vor allem Symbolpolitik für potenziell rechte Wähler“. Der CSU-Politiker war so erbost, dass er im Juni 2018 nicht zum Integrationsgipfel im Kanzleramt kam.

Mit ihrem 2019 erschienenen Buch „Hört auf zu fragen. Ich bin von hier“ löste Ataman eine Debatte über Zugehörigkeit in Deutschland aus. Wenig später sorgte sie mit ihrer „Spiegel“-Kolumne „Heimatkunde“ für Aufruhr, in der es um die Frage ging, wie Deutsche ohne Migrationshintergrund genannt werden könnten.

Unter anderem geht es um umstrittene Äußerungen Atamans aus der Vergangenheit. So hatte sie etwa mit einer „Spiegel“-Kolumne 2020 für Diskussionen gesorgt, als sie die Bezeichnung „Kartoffel“ für Deutsche ohne Migrationshintergrund verteidigte.

Dass sich viele „Ureinheimische“ an der Bezeichnung „Kartoffel“ stören und diese als rassistisch empfinden, kann Ataman nicht verstehen - schließlich würden auch Menschen mit Migrationshintergrund „ständig nach Wurzeln, Religionen oder Stämmen sortiert“.

Nach ihrer Berufung am vergangenen Mittwoch löschte sie zudem frühere Tweets, die sie möglicherweise angreifbar gemacht hätten - was im Netz für weiteren Unmut sorgte. Sie selbst sagte dazu, dass sie private Tweets „aus Neutralitätsgründen von ihrem Account gelöscht“ habe. Sie seien im Internet, genau wie ihre restlichen Veröffentlichungen, weiterhin abrufbar.

Das bisherige Besetzungsverfahren, bei dem die Bundesfamilienministerin die Leiterin oder den Leiter auf Vorschlag der Bundesregierung ernennen konnte, habe zu Konkurrentenklagen geführt, heißt es in der Vorlage. Seit 2018 sei das Amt deshalb unbesetzt geblieben. Die geplante Neuregelung solle Rechtssicherheit und Klarheit über die Rolle der Antidiskriminierungsstelle im Gefüge der Bundesverwaltung schaffen und deren Unabhängigkeit unterstützen.

Mit Ataman ginge die Leitungsstelle an eine Frau ganz nach den Vorstellungen von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Ataman sei „genau die Richtige“ für die Stelle, sagte sie kürzlich. Sie stehe für großes Engagement für eine inklusive, demokratische Gesellschaft.

Ataman will eine „Integrationspolitik für alle Menschen - unabhängig für ihre Herkunft“, wie sie einmal in einem Interview sagte. Gebraucht werde „ein neues Verständnis von Zugehörigkeit, das nichts mit Vorfahren, Religion und Aussehen zu tun hat“, sagte sie und fügte hinzu: „Eigentlich ganz einfach.“

Die Grünen-Fraktion geht davon aus, dass die Publizistin Ferda Ataman Anfang Juli vom Bundestag zur Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewählt wird. „Wir freuen uns sehr, dass das Kabinett einen so guten Personalvorschlag gemacht hat“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin Irene Mihalic am Mittwoch in Berlin. Ataman habe die volle Unterstützung ihrer Fraktion. Ihre Wahl sei für die nächste Sitzungswoche Anfang Juli vorgesehen. Die Pressestelle des Bundestags teilte auf Anfrage mit, dass der genaue Termin für die Wahl Atamans noch nicht endgültig feststehe, da die Tagesordnung der kommenden Sitzungswoche noch in Arbeit sei.

Auf die Frage, ob sie angesichts der von einigen Abgeordneten gegen Ataman geäußerten Bedenken sicher sei, dass dieser Personalvorschlag eine Mehrheit finden werde, antwortete die Parlamentarische Geschäftsführerin Irene Mihalic : „Sie ist einstimmig vom Kabinett vorgeschlagen, von daher bin ich da guter Dinge.“

(mün, jd)
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