Familienbarometer Inflation setzt Familien unter Druck

Berlin · Die Inflation belastet aktuell sehr viele Menschen – insbesondere Eltern und ihre Kinder. Das zeigt ein neuer Bericht des Bundesfamilienministeriums. Wie Ministerin Lisa Paus (Grüne) die Familien unterstützen will.

 Viele Familien geben in der Umfrage für das Familienbarometer an, durch teure Lebenshaltungskosten immer stärker unter Druck zu stehen.

Viele Familien geben in der Umfrage für das Familienbarometer an, durch teure Lebenshaltungskosten immer stärker unter Druck zu stehen.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Die Folgen der Pandemie und der hohen Inflation sind vor allem für Familien eine große Herausforderung: 70 Prozent der Eltern mit Kindern unter 18 Jahren gaben im Dezember 2022 an, dass sie die Inflation persönlich stark belaste. Das geht aus dem aktuellen Familienbarometer vor, in dem zentrale Trends zum Familienleben in Deutschland analysiert wurden. In der Studie, die das Institut für Demoskopie Allensbach hierfür durchgeführt hat, wurden die Eltern zu ihrer aktuellen wirtschaftlichen Lage, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ihren Erwartungen an die Politik befragt. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) erklärte am Montag in Berlin, mit welchen Maßnahmen die Eltern und ihre Kinder entlastet werden sollen.

„Ich sehe es als eine der Kernaufgaben des Staates, Sicherheit zu schaffen – erst recht in Zeiten, in denen sich Menschen um ihre Zukunft sorgen“, so Paus. Genau das wird von der Bevölkerung und speziell von den Eltern auch gefordert: eine zielgenaue Unterstützung durch den Sozialstaat. 70 Prozent der Bevölkerung erwarten von der Familienpolitik, dass die Kinderarmut reduziert wird. 61 Prozent fordern, dass alle Familien genau die Unterstützung bekommen, die sie benötigen. Laut Umfrage bewerten nämlich weniger als die Hälfte der Eltern (43 Prozent) ihre wirtschaftliche Lage positiv.

Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die hohen Preise vor allem Familien mit niedrigen und mittleren Sozialstatus belasten.

Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die hohen Preise vor allem Familien mit niedrigen und mittleren Sozialstatus belasten.

Foto: dpa/dpa-infografik GmbH

Besonders Alleinerziehende ziehen eine kritische Bilanz. Geringverdienende Alleinziehende müssen beispielsweise über sieben Prozent ihres Haushaltseinkommens für die inflationsbedingten Preissteigerungen aufbringen. Im Vergleich mache bei Paaren mit Kind, die sich im oberen Einkommensquartil befinden, die Mehrbelastung 4,5 Prozent ihres Einkommens aus. Es zeigt sich also: Je geringer das Haushaltseinkommen, desto stärker ist die Mehrbelastung. Doch neben den schwächeren wird auch in den mittleren Schichten die finanzielle Belastung als sehr groß empfunden. Insgesamt gaben 93 Prozent der Eltern an, sich wegen der Inflation zu sorgen.

Deshalb will die Familienministerin vor allem die Umsetzung der Kindergrundsicherung voranbringen, um damit ein „Sicherheitsnetz“, wie sie sagte, zu spannen. Dabei sollen alle finanziellen Leistungen für Familien – von Kindergeld bis zu Hatz IV für Kinder – zusammengefasst werden. Damit sollen die Eltern alle Leistungen erhalten, die ihnen zustehen – und zwar ohne viele Anträge stellen zu müssen. Gleichzeitig soll das Existenzminimum von Kindern neu definiert werden.

Die dadurch entstehenden Mehrkosten ab 2025, die Paus zuvor mit zwölf Milliarden Euro bezifferte, sorgen für Diskussionen in der Ampel-Regierung. Doch: „Kinder aus der Armut zu holen, kann es nicht zum Nulltarif geben“, betonte Paus am Montag. Rückhalt erfährt die Ministerin aus der Bevölkerung. 75 Prozent der Eltern mit minderjährigen Kindern befürworten laut Studie die Einführung der Kindergrundsicherung. Obwohl in der Umfrage explizit auf die zusätzlichen Kosten der Kindergrundsicherung hingewiesen wurde, ist den Menschen der soziale Ausgleich wichtig, wie die Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, Renate Köcher, berichtete.

Neben der Erhöhung der finanziellen Sicherheit für Familien leitet die Ministerin aber noch zwei weitere Handlungsfelder aus den Ergebnissen des Familienbarometers ab: die Weiterentwicklung der Kinderbetreuung und der Aufgabenteilung in einer Partnerschaft. Laut Studie stecken nämlich nach wie vor fast ausschließlich die Mütter in der Familienphase beruflich zurück. Während 89 Prozent der Männer angaben, in Vollzeit zu arbeiten, belief sich der Anteil der Frauen lediglich auf 33 Prozent. Jede dritte Mutter mit Kindern unter 16 Jahren gab an, Familie und Beruf „nicht so gut“ miteinander vereinbaren zu können. Dabei würde jede vierte Mutter ihre Arbeitszeit gerne ausweiten oder eine Arbeit aufnehmen und jeder fünfte Vater möchte seine Arbeitszeit verkürzen.

„Über 40 Prozent der Eltern wünschen sich eine partnerschaftlichere Aufteilung von Familie und Beruf, können das aber im Alltag nicht so gut realisieren und fallen in alte Muster zurück“, sagte Paus. Deswegen arbeite die Ministerin unter anderem an der sogenannten Elternstartzeit, in welcher der Partner oder die Partnerin nach der Geburt des Kindes – zusätzlich zur Elternzeit – für zwei Wochen bei laufenden Bezügen freigestellt werden soll, um den familiären Zusammenhalt zu stärken. Der Gesetzentwurf hierfür sei bereits fertig, sodass die Elternstartzeit im Januar 2024 eingeführt werden könne.

Eine partnerschaftliche Aufgabenteilung habe nämlich gleich mehrere Vorteile: Sie trage nicht nur zu einem guten Familienklima und wirtschaftlicher Stabilität beider Eltern bei, sondern könne auch eine Antwort auf den Fachkräftemangel sein. Denn: Wenn Mütter dank der Unterstützung der Väter eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder ausbauen können, werde es mehr Arbeitskräfte geben, wie es im Familienbarometer heißt.

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